Wie kann man den Zusammenhalt in der Gesellschaft fördern?

Kommt doch mal rüber!
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Matthias Luedecke

Berlin, 05,08,2016, Sonnenallee, diie Strasse in Berlin-Neukoelln heisst mittlerweile unter Gefluechteten "Arabische Strasse". Dort haben sich Anlaufsstellen fuer Fluechtlinge angesiedelt und diverse arabische Geschaefte, Cafes, Restaurants, Supermaerkte und Frisoere [Foto (c) Matthias Luedecke, Berlin, Mobilfon +49 (0)171 544 29 75, e-mail: Matthias.Luedecke@T-online.de; Postbank Berlin, BIC PBNKDEFF, IBAN DE78 1001 0010 0036 8701 09 , Nutzung nur gegen Honorar, Urhebervermerk und Belegexemplar, no modelrelease]

Wer Zuwanderer integriert, will den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Konservative entrüstet das. Ein Dilemma

chrismon: Sie haben untersucht, ob Zuwanderung den sozialen Zusammenhalt in europäischen Gesellschaften schwächt. Tut sie das?

Conrad Ziller: Grundsätzlich ja. Pauschalisieren darf man aber nicht: Unter bestimmten Bedingungen hat Zuwanderung keine negativen Effekte.

Conrad Ziller

Conrad Ziller, Jahrgang 1983, hat an der Universität Köln promoviert. Seine Arbeit wurde von der Körber-Stiftung aus­gezeichnet.
Foto: Thomas Schorn

Zum Beispiel?

Wo das Wirtschaftswachstum hoch ist, wo Zuwanderer ihrer  Herkunft nach vielfältig sind oder die Toleranz der Bevölkerung sehr ausgeprägt ist. Eine wichtige Rolle spielt die Integrations­politik, also wie viele Rechte Zuwanderer bekommen. An dem Punkt entsteht in vielen Gesellschaften ein Dilemma. 

Welches?

Gesellschaften in Europa setzen sich aus verschiedenen Milieus zusammen, es gibt tolerante, offene Bevölkerungsanteile und solche mit konservativem Weltbild, die den Status quo bewahren wollen. In Ländern, die Zuwanderern umfangreiche Rechte zu­gestehen, reagieren konservative Bürgerinnen und Bürger be­sonders negativ auf Zuwanderung, während tolerante gut damit zurechtkommen. Wird die Integration umfangreich gefördert, führt das aber dazu, dass konservative Bevölkerungsgruppen sich abwenden. Das sieht man aktuell daran, wie konservative und rechte Bewegungen gerade in den europäischen Ländern erstarken, die mit Zuwanderern liberal umgehen. Auch in Deutschland.

Deutsche sind liberal?

Na ja. In Deutschland sind circa 20 Prozent der Bevölkerung als stark konservativ ein­zustufen. Mit einer restriktiven Integrations­politik gewönnen Politiker sie für sich. Aber die Spannungen in der Gesellschaft würden zu nehmen. Auch, weil eine Benachteiligung Zugewanderter die Entstehung von Parallel­gesellschaften befördert.

Angela Merkels „Wir schaffen das“ wird nachträglich oft kritisiert. Hätte es denn eine richtige Entscheidung geben können?

Das war der Versuch, Toleranz zu stärken. Aber in so einer Situation sind die Zugkräfte in der Gesellschaft sehr groß. Da wirken alle Entscheidungen suboptimal. Falsch war per se keine, ob bei der Bewältigung der Menge an Zuwanderern oder bei der Integrationspolitik. Aber es gilt noch vieles zu verbessern, zum Beispiel sollten Asylverfahren beschleunigt und Flüchtlinge dezentral untergebracht werden.

Was können Regierungen noch tun?

Die Politik muss die Ungleichheiten in der Gesellschaft so gut wie möglich beseitigen. Wer seinen Status bedroht sieht oder einen Abstieg fürchtet, entwickelt schnell ein Konkurrenzdenken ge­genüber Zuwanderern.

Welche Erkenntnisse werden wir in zehn Jahren haben?

Wir wissen recht genau, was eine Gesellschaft auseinander­treibt. Ich hoffe, dass wir lernen, was ihren Zusammenhalt fördert.

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