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Viel Frust, wenig Erleichterung
Wo sind die EU-Gelder, die schon 2009 nach dem ersten Erdbeben in Italien flossen? Versickert? Das schürt Wut
Friedemann Glaser, Pfarrer
20.03.2017

In einer Boutique traf ich eine Frau mit einem eingegipsten Arm in einer Schlinge. Es war kurz nach dem erneuten Erdbeben Ende Oktober in Mittelitalien. Da war das erste Beben in Amatrice, bei dem 300 ­Menschen starben, gerade zwei Monate her. Die Frau erzählte: „Mein Haus ist völlig zerstört. Nur ein Balken hat verhindert, dass ich verschüttet wurde.“

Von den Erdstößen selbst hat man bei uns in Florenz wenig gespürt. Trotzdem sind sie auch hier ein Thema: Zunächst gab es eine große Welle der Hilfsbereitschaft. Karitative Organisationen sammelten Kleidung, Spielzeug und Hygieneartikel für die obdachlos gewordenen Menschen. Und unsere Gemeinde erbat zwei Gottesdienstkollekten für Hilfsprojekte der FCEI, der Dachorganisation der Evangelischen Kirchen Italiens, in den betroffenen Ge­bieten.

Bald gab es auch kritische Stimmen: Wie viele Betroffene müssen den Winter in Zelten verbringen, weil das Krisenmanagement nicht effektiv funktioniert? Wo sind die EU-Gelder hin, die nach dem Erdbeben 2009 in L’Aquila für Schutzmaßnahmen geflossen waren? Versickert im undurchsichtigen Netz von Banken, Lokalpolitikern und organisierter Kriminalität?

Die Häuser erdbebensicher sanieren? Zu teuer!

Wütend machte viele, dass es bei der Organisation der Trauerfeier für die Opfer von Amatrice eher um den medienwirksamen Auftritt der Politiker als um das Leid der Ange­hörigen zu gehen schien.

Gerade Deutsche fragen oft, ob man die Gebäude in Italien nicht erdbebensicher sanieren könne. Dazu ist nicht nur die Baugeschichte der mittelalterlichen Häuser viel zu kompliziert. Vor allem fehlt es dem italienischen Staat und den privaten Eigentümern am notwendigen Geld.

Um alle Schulen in den betroffenen Gebieten erdbebensicher zu machen, müsste man rund 13 Milliarden Euro investieren. Wer soll das in der andauernden Wirtschaftskrise bezahlen? In den Frust mischt sich manchmal aber auch Freude und Erleichterung. Die Frau in der Boutique etwa sagte: „Ich bin nur leicht verletzt und lebe – was für ein Wunder! Ich möchte es mit einem neuen farbenfrohen Kleid feiern!“

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