GOP presidential candidate Donald Trump appears on stage to congratulate his vice-presidential choice, Mike Pence, after his acceptance speech during the Republican National Convention at Quicken Loans Arena in Cleveland, Ohio, on July 20, 2016. Donald Trump will formally accept the Republican Party's nomination for President on Thursday night July 21st. Photo by Molly Riley/UPI Photo via Newscom picture alliance [ Rechtehinweis: picture alliance / newscom ]
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"Die Wut war wichtig für ihn"
18.03.2017

chrismon: Sie haben jedes Buch und jede Rede von Donald Trump analysiert. Was kam dabei heraus?

Karina Korostelina: Er ist kein „Bauchmensch“, wie viele meinen. Er hat eine klare Strategie für Erfolg, die er in seinen Büchern umrissen hat. Der Politiker Trump folgte Ratschlägen des Geschäftsmannes Trump – inklusive der Protzerei, um Menschen zu imponieren. Alles, was er im Wahlkampf tat, war penibel organisiert.

Wie kam er zu seinem politischen Programm?

Trump hat beim Rechtsrutsch einiger europäischer Länder ähnliche Tendenzen festgestellt: das Bedürfnis nach einer nationalen Identität. Das Festhalten an eigenen kulturellen Elementen infolge einer empfundenen Bedrohung durch andere Kulturen. Die Mehrheit der westlichen Gesellschaft besteht immer noch aus Weißen. Viele von ihnen hatten das Gefühl, an den Rand gedrängt zu werden. Das hat Trump begriffen. Er musste ihnen nur noch recht geben in ihrem Gefühl und sie wieder stark reden.

Das klang oft sehr roh.

Die Wut war wichtig für Trump. Im Wahlkampf hat er den Zorn seiner Unterstützer aufgenommen und mit ihrem Patriotismus verbunden. Dadurch entstand der Eindruck von Einigkeit. Und er hörte nicht auf, den Menschen zu sagen, warum sie wütend sein sollten. Trump demonstrierte, wie Aggression dazu beiträgt, Menschen für sich einzunehmen und andere herunterzubuttern.

Wird sich dieser Politikstil durchsetzen?

Trump war ein spezieller Fall. Er war ja Hauptdarsteller in der Realityshow „The Apprentice“, wo es nur um Skandale und Emotionen ging. Das hat er einfach auf den Wahlkampf übertragen, seine Veranstaltungen waren Entertainment.

Warum fühlen sich Menschen angezogen von Gemeinheiten?

In jeder Highschool-Klasse gibt es einen Rüpel, der Mitschüler beleidigt oder gar schlägt. Die Schule ist eben mit den unterschiedlichsten Charakteren durchmischt – gleichzeitig wünschen sich Menschen soziale Hierarchie. Wer nun ganz oben stehen will, muss fies sein zu anderen, selbst wenn er ansonsten lieb ist. Gemein sein bedeutet, an der Spitze zu bleiben. Die Trump-Wähler folgten diesem Denkmuster: Sie waren der Meinung, er habe das Recht, andere zu beleidigen. Ihn zu unterstützen hieß für sie, in der sozialen Hierarchie oben zu stehen. Trumps Beleidigungen bestärkten seine Unterstützer, schufen immer mehr Distanz zu anderen.

"Bedürfnis, Teil einer kleiner Gruppe zu sein"

In den Niederlanden könnten über 20 Prozent die rechtspopulistische PVV wählen, in Frankreich rund 30 Prozent den Front National. Haben die Wähler in Europa schon immer so gedacht – oder veränderten populistische Politiker ihre Wahrnehmung?

Beides trifft zu, und zwar für ganz Europa. Die Meinungen waren schon länger da. In den vergangenen acht Jahren ging die Schere zwischen Arm und Reich noch mal stark auseinander. Einige Menschen arbeiten hart, trotzdem reicht es nicht. Das können die Leute zwar noch wegstecken. Was aber am schlimmsten ist: Wenn die Betroffenen nicht das Gefühl haben, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird. Dann verzweifeln sie. Gleichzeitig ändert sich vieles, vor allem mit der starken Migration. Wer sich darüber beschwert, gilt oft als engstirnig und nicht liberal genug.

Und wo kommen Populisten ins Spiel?

Es braucht Vorreiter, Politiker, die genau solche Themen in die Öffentlichkeit bringen. Vor allem muss man den Menschen, die einen wirtschaftlichen Niedergang erlebt haben, wieder Selbstvertrauen geben. Trump hat illegale Einwanderer und Muslime herabgesetzt. Das half den Wählern zu glauben, sie seien besser als die anderen.

Können ernsthafte Politiker Populisten verhindern?

Man muss mutig die Fragen stellen: Warum wünschen sich Menschen Grenzen? Warum eine nationale Identität? Menschen haben das Bedürfnis, Teil einer kleinen Gruppe zu sein, die ihr Selbstbewusstsein steigert. In einer globalisierten Welt fühlen sie sich nicht zu Hause. Diese Empfindungen wurden lange verdrängt. Demokraten müssen sich überlegen, wie sie den Wählern ein Zugehörigkeitsgefühl in dieser Demokratie verschaffen.

Shea Westhoff hat das Gespräch auf Englisch geführt.

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