Carl Zuckmayer
Carl Zuckmayer (1896‒1977), von den Nazis gehasst, von Linken und Konservativen beargwöhnt
Marco Wagner
Zwischen allen Stühlen
Den Kritischen war er zu fröhlich, den Fröhlichen zu kritisch: Carl Zuckmayer, der unorthodoxe Dichter aus Rheinhessen
Lena Uphoff
26.04.2016

„Die Alle und Alles unaufdringlich, aber unübersehbar umgebende Güte Gottes ­regiert und charakterisiert bei Ihnen auch die trivialsten, bizarrsten, ja tollsten Szenen und Situationen.“ Der 81 Jahre alte Theologe Karl Barth schrieb diese eupho­rischen Zeilen am 15. August 1967 an seinen neuesten Freund, den 70-jährigen Carl Zuckmayer. Barth weiter: „Und das Beste ist, daß Sie es offenbar kaum selbst bemerken, wie sehr Sie in Ihrer... rein ,weltlichen‘ Schriftstellerei faktisch ein priesterliches Amt ausgeübt haben und noch ausüben: in einem Ausmaß, wie das unter berufsmäßigen Priestern, Predigern, Theologen usw. katholischer oder evangelischer Konfession wohl nur von wenigen gesagt werden kann.“ Barth hatte gerade Zuckmayers Autobiografie „Als wär’s ein Stück von mir“ gelesen. Da galt der Autor schon lange als unorthodoxer, unbestechlicher Denker.

Der 1896 in Nackenheim am Rhein geborene Carl Zuckmayer war nach fröhlicher Jugend in Mainz als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg gezogen. Nach dem Krieg studierte er in Frankfurt und Heidel­berg diverse Fächer. Er genoss das Leben, entdeckte seine Freude am Theater. Zuckmayer: „Wir warfen den Ballast der Vergangenheit hinter uns... Die Zukunft, so dachten wir, würde uns gehören und den Lebendigen, Erwachten in der ganzen Welt!“ Er lernte den Dichter Stefan George kennen, den Philosophen Ernst Bloch, den Soziologen Max Weber. Und er schrieb. Gedichte, Dramen. Im Dezember 1920 fiel sein Drama „Kreuzweg“ in Berlin durch. Der Kritiker Alfred Kerr in seinem Verriss: „Dieser heillose Lyriker... wird niemals ­einen auf der Bühne sprechbaren Satz ­hervorbringen!“ Zuckmayer, ohne Job, zog als Bänkelsänger durch Kneipen, wirkte als Anreißer für Animierlokale. „Ich lernte Berlin von unten kennen...“

"Zwischen allen Stühlen - für einen Schriftsteller kein schlechter Platz"

Nach einigem Hin und Her landete er als Dramaturg in München, arbeitete mit Bert Brecht zusammen. Der Durchbruch als ­Autor gelang 1925 mit „Der fröhliche Weinberg“. 1931 folgte „Der Hauptmann von Köpenick“. Diese Komödie machte ihn wohlhabend, sorgte wegen ihres satiri­schen Umgangs mit Befehl und Gehorsam aber dafür, dass die aufstrebenden National­sozialisten ihn hassten. Während der Münchner Zeit hatte Zuckmayer aus Neugier Hitlers Brauhaus-Auftritte besucht. Er machte sich lustig über den Redner, nannte ihn einen „heulenden Derwisch“ und seinen Antisemitismus „Quatsch“. Doch: „...es gelang ihm, die Menschen in eine Trance zu versetzen wie der Medizin­mann eines wilden Völkerstamms.“ Sar­kas­tische Worte, die ihn bei den NS-­Oberen zur Persona non grata machten.

Nach Hitlers Machtergreifung zog Zuckmayer nach Österreich. Nach dessen ­Anschluss an das NS-Reich 1938 floh er mit Frau Alice und dem Nachwuchs in die USA. Da Zuckmayer sich unter den Exilanten nicht einer Gruppe anschloss, weder den Konservativen noch den
Linken, geriet er ins Abseits. Carl und Alice beschlossen 1941, sich als Farmer in Vermont zu versuchen.

1942 schrieb er für den Auslands­geheim­dienst OSS circa 150 Dossiers über Künstler und Intellektuelle, die in Hitler-Deutschland geblieben waren. Persön­liche, erkennbar subjektive Texte, in denen die meisten nicht schlecht wegkamen, zum Beispiel „Anpasser, die heimlich Freunden geholfen“ hatten. Über den Schauspieler Hans Albers, der sich von seiner „nicht­arischen“ Frau nicht trennte: „...ein durchaus anständiger und famoser Kerl und [er] hat mehr Charakter bewiesen als viele Andere.“

Über einen Nichtnazi im totalitären Umfeld verfasste Zuckmayer sein erfolgreichstes Stück: „Des Teufels General“. Im Luftwaffengeneral Harras steckte der Flieger Ernst Udet, den Zuckmayer kannte und schätzte. In dem Stück schrieb der Autor, das Rheinland sei die Völkermühle der Welt. Wer von dort komme, könne seinen „Ariernachweis“ „in den Abtritt“ hängen. Das gelte auch für Beethoven und Goethe.

Zuckmayer zog 1958 in die Schweiz, in den Kanton Wallis, genoss den Wein und wechselte Briefe mit Karl Barth. Über seine Rolle in der Literaturszene urteilte Marcel Reich-Ranicki: „Für die Kritik galt er oft als zu volkstümlich und für das Volk bisweilen als zu kritisch. Die Linken hielten ihn für konservativ und die Konservativen für allzu links. So saß er oft zwischen allen Stühlen. Das jedoch ist für einen Schriftsteller kein schlechter Platz.“

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