TTIP-Leseraum in Berlin
Beschränkter Zutritt: In den TTIP-Lesesaal, eine Erfindung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), darf nicht jeder hinein
Foto: ZUMA Press/imago
"Gnadenrecht bei Kaffee und Plätzchen"
"Die Linke"-Vorsitzende Katja Kipping war im TTIP-Lesesaal und ist enttäuscht - von der Transparenz der Dokumente und von der Rechtschreibung in ihnen
Tim Wegner
11.02.2016

TTIP, das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zwischen Europäischer Union und USA, ist umstritten. Die Verhandlungen sind geheim. Im vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geführten Wirtschaftsministerium gibt es einen Lesesaal für Bundestagsabgeordnete – zum Studium am Computer.

chrismon: Wie war Ihr Besuch im TTIP-Lesesaal?

Katja Kipping: Wir Abgeordnete dürfen jeweils zwei Stunden die Dokumente ansehen, über die bereits Einigkeit besteht. Immerhin findet sich darin auch die ­Verhandlungsposition der USA wieder. Trotzdem: Vertrauen und Transparenz sehen anders aus.

Wie meinen Sie das?

Ich musste Tasche und Jacke wegschließen. Ein Wachmann kontrollierte, dass ich kein Handy und keine Kamera mitnahm. Eine Dame saß mit im Raum. Ich musste Besucherregeln unterschreiben. Ohne Unterschrift kein Zugang. Das reduziert parlamentarische Kontrolle zu einem Gnadenrecht bei Kaffee und Plätzchen. Aber auch mit Koffein im Blut war es unmöglich, die rund 300 Seiten in zwei Stunden vollständig zu durchdringen. Ich darf Ihnen ohnehin nicht sagen, was ich gelesen habe.

Schade!

Aber ich rede darüber, was ich nicht gesehen habe. Und ich habe nichts gelesen, was nur ansatzweise die Behauptung von Wirtschaftsminister Gabriel unterstützt, TTIP helfe vor allem den mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Das überrascht mich nicht. Vor einiger Zeit waren ja bewusst lancierte Dokumente aufgetaucht, nach denen die EU-Kommission vor allem Zugang zu Großaufträgen der öffentlichen Hand in den USA bekommen will. Das ist in der Regel nichts für ­Mittelständler. Das Wirtschaftsministerium hat offenbar allen Grund, den Vertrags­text geheim zu halten.

Haben Sie alle Fachbegriffe verstanden?

Im Zweifel habe ich in einem Wörterbuch nachgeschaut. Aber bei vielen Formulierungen hätte ich gern einen Wirtschaftsanwalt ­befragt. Bei so manchen ahnte ich nur, wie gewiefte Anwälte Passagen zugunsten von Kon­zernen auslegen können. Und: ­Es ist alles auf Englisch. Stellen Sie sich den US-Senator vor, der nur einen französischen Text ein­sehen dürfte. Und diese Fehler!

Bitte?

„teh“ statt „the“, „andd“ statt „and“ – ist das schludrig! Oder soll nur auffliegen, wer den Monitor fotografiert?

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