Menschen protestieren in Danzig Anfang Januar 2016 gegen die Politik der neuen polnischen Regierungspartei PiS
Menschen protestieren in Danzig Anfang Januar 2016 gegen die Politik der neuen polnischen Regierungspartei PiS
Foto: imago / ZUMA Press
"Das Land ist gespalten"
Der Rechtsruck in Polen beun­ruhigt Europa. Jetzt leitete die EU eine Rechtsstaatsprüfung ein. Was ist da los? Der deutsche ­Politologe Stefan Garsztecki hofft auf die Zivilgesellschaft.
Tim Wegner
26.01.2016

chrismon: Fürchten die Polen um ihre Demokratie?

Stefan Garsztecki: Die Zivil­gesellschaft ist stark. Ich denke daher nicht, dass die Regierungspartei PiS die Demokratie wird aushebeln können. Sie will eine revolutionäre Wende, das gibt es in Demokratien immer wieder. Auch die Regierung von Helmut Kohl hat 1982 so eine Wende hin zu konservativeren Werten eingeleitet. Da geht es um gesellschaftliche Umgangsformen. Polen ist ein plurales Land, in dem Anschauungen aufeinanderprallen. Die Spaltung dort ist nicht neu. Gegen die neuen Gesetze für die öffentlich-rechtlichen Medien haben in Warschau Zehntausende protestiert. Ähnlich viele PiS-Anhänger haben dagegengehalten. Das juristische Milieu wehrt sich gegen mehr Regierungseinfluss auf das Verfassungsgericht.

Wie sehr werden sich die Bürger engagieren?

Die bisherigen Proteste waren beeindruckend, und sie scheinen anzuhalten. So etwas wirkt in ­jeder Demokratie. Einige Punkte im PiS-Programm werden zu noch mehr Protesten führen: ­Polen hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze, das die PiS weiter verschärfen will. Die Mehrheit der Polen lehnt das aber kate­gorisch ab. Ab dem Sommer soll es auch noch „patriotische Erziehung“ an den Schulen geben. Die PiS hat 38 Prozent der Stimmen, das sind 19 Prozent ­aller potenziellen Wähler, und im Parlament 235 Sitze von 460, zusammen mit zwei kleinen Parteien. Brechen die aus, ist die Revolution ausgeträumt.

Wie konnte die PiS gewinnen?

Trotz Wirtschaftswachstum kämpfen gerade Jugendliche mit schlecht bezahlten Zeitverträgen. Die PiS hat soziale Fragen stark akzentuiert und damit Wähler überall gewonnen, besonders junge. Angst vor Globalisierung und die Flüchtlingskrise spielen  auch eine Rolle. Die EU aber wird zu 80 Prozent befürwortet.

Es heißt häufig, die katholische Kirche beeinflusse die Wahlen.

Die Kirche war in den Neunzigern sehr politisch. Ihre Wahlkoalition „Vaterland“ scheiterte aber krachend, die Kirche zog sich zurück. Das betrifft natürlich nicht alle Personen. Es gibt Bischöfe, die sich äußern, und den sehr kon­servativen Radiosender Maryja. Wenn ich in Polen bin und Gottesdienste besuche, höre ich, wie Pfarrer etwa über Genderthemen wettern.

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