Fast leere Kirche
Manchmal ist die Kirche ziemlich leer...
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Ein paar Konfirmanden füllen die ansonsten leeren Reihen auf. Kann man so auf Dauer den Sonntagsgottesdienst bestreiten? Zwei Gottesdienstspezialisten stellen sich der Realität – auf dem Podium in der Stuttgarter St. Rupertskirche. Und geben viele nützliche Tipps!
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
03.06.2015

„Wir sind zu viele für wenige“, bemerkt Doris Joachim-Storch bevor es überhaupt losgeht. „Gottesdienst für wenige“, so ist der Kirchentagsworkshop am Donnerstagvormittag überschrieben. Die knapp 30 Stühle im Gruppenraum 1 des St. Rupert Gemeindehauses in Cannstadt sind schon zehn Minuten vor Beginn komplett vergeben. Das Thema brennt mehr Menschen auf den Nägeln, als die Raumplaner gedacht hatten. Also Umzug nach nebenan. Die Konkurrenzveranstaltung „Der Gottesdienst wirkt“ scheint weitaus weniger attraktiv.

Doris Joachim-Storch vom hessisch-nassauischen Zentrum Verkündigung eröffnet mit einem Plädoyer gegen Untergangsstimmung. Selbst Martin Luther blickte bei seinem letzten Gottesdienst, bevor er starb, in eine fünfköpfige Gemeinde.

Tipp 1: Mit einfachen Dingen berühren

Fast ausschließlich Pfarrer und Pfarrerinnen bevölkern den Workshop. Sie sollen auf Zettelchen schreiben, was sie besonders an einem Gottesdienst berührt hat. „Die Musik. Der Segen. Kleine Dinge wie: Ein Kind tanzt vorm Altar“, solche Zettel pinnen kurz darauf an einer Stellwand. Dann: Warum sie wollen, dass Menschen zu ihrem Gottesdienst kommen? Die Antworten: „Gemeinschaft. Damit Menschen zum Glauben kommen. Der Gottesdienst ist das Herz der Gemeinde.“ Doris Joachim-Storchs Plädoyer: „Wir sollten unsere hohen Ansprüche zurückschrauben und mehr von dem ausgehen, was uns berührt.“

Tipp 2: Stühle wie Fischgräten aufstellen

Matthias Rost von der Arbeitsstelle Gottesdienst der Mitteldeutschen Kirche spielt einen Gottesdienst mit wenigen durch. Sieben Leute, verteilt auf die ersten drei Stuhlreihen. Dann wird diskutiert: Wo sitzt die Pfarrerin – vorne rechts oder vielleicht doch lieber neben einem Gottesdienstbesucher in der Bank? Wenn bewegliche Stühle da sind, wie aufstellen? Im Halbkreis ist vielen zu intim, verteilt auf die Reihen zu anonym, und manche wollen da sitzen, wo sie immer sitzen. Rosts Vorschlag: Fischgrätenstellung – also ein Stuhlviertelkreis, so dass man die anderen nur im Augenwinkel wahrnimmt. Und dann zwei Stuhlreihen, damit man nicht in der ersten sitzen muss. 

Tipp 3: Choral Zeile für Zeile vorsingen

Rost geht den Gottesdienst durch. Anfangs stoßen seine Ideen noch auf heftigen Widerspruch. – „Eingangslied schon draußen vor der Tür? Dann bleiben nächstes Mal viele weg!“ Oder - wenn kein Organist da ist: „Choral Zeile für Zeile vorsingen und Gemeinde nachsingen lassen? Viele Pfarrer können gar nicht singen. Was wenn niemand in der Gemeinde den Ton trifft?“ Oder: „Psalmgebet mit wiederkehrenden Kehrvers, den die Gemeinde spricht? Zu schlicht!“

Tipp 4: Gloria Patri nach der Melodie des Eingangschorals

Doch nach und nach gewinnt Rost sein Publikum. – Das Gloria Patri nach dem Psalm durch Choralstrophe ersetzen auf die Melodie des Eingangsliedes? Kommt beim Ausprobieren richtig gut an! Man nehme den Choral „Ehr sei dem Vater und dem Sohn“ (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 155, Strophe 4). Das lässt sich – außer auf Originalmelodie – auch auf die Melodie des Adventslieds „O Heiland, reiß die Himmel auf“ oder auf die des Morgenliedes „All Morgen ist ganz frisch und neu“ singen. Und auch auf andere Liedmelodien.

Tipp 5: Glaubensbekenntnis als kleine Tauferinnerung

Zum Glaubensbekenntnis die Kerze auf den Taufstein stellen und die Gemeinde drum herum versammeln. Dann an die Taufe erinnern: „Vorige Woche wurde hier XY getauft. Einige von Ihnen sind hier vor Jahrzehnten getauft worden. Bei der Taufe sprechen wir das Glaubensbekenntnis. Und jetzt erinnern wir uns an unsere Taufe und sprechen es gemeinsam: Ich glaube an Gott, ...“

Tipp 6: Predigt auf Augenhöhe

Die Predigt auch bei ein bis drei Besuchern vollständig vortragen. Gottesdienst mit Wenigen ist ja nicht weniger Gottesdienst! Dafür kann man sich hinsetzen und so mit den Leuten auf Augenhöhe bleiben. Da kann es auch sein, dass man auf eine rhetorisch gemeinte Frage eine Antwort bekommt.

Tipp 7: Persönliche Fürbitte

Für die Fürbitte schon vor dem Gottesdienst fragen: „An wen müssen wir heute besonders denken?“ Und diesen Menschen ins Gebet einschließen. Oder vorbereitete Bitten an einzelne Leute aus der Gemeinde verteilen, die sie dann von ihrem Platz aus vortragen. Sie müssen sich gar nicht vor dem Altar aufstellen.

Und dann zum Segen noch einmal nach vorne um den Altar bitten. So kann ein Gottesdienst auch die wenigen, die da sind, berühren.

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