Antigua, kunstvolle Bluetenteppiche
Foto: Katrin Neuhaus
01.04.2015

Karfreitags in Antigua Guatemala. Vor fast jedem Haus in den gepflasterten Straßen der alten Kolonialstadt die gleiche Szene: Leute hocken auf der Straße, neben sich Säcke mit Kiefernnadeln oder gefärbtem Sägemehl. Sie streuen damit ­Linien und Muster. Aus Körben nehmen sie Blumen, Bananen- oder Palmenblätter und legen sie in die freien Flächen.

Es duftet nach frischem Holz und Farbe, nach Gardenien und Lupinen. Eine andächtige Stille legt sich über die Straßen. Männer, Frauen und Kinder arbeiten in höchster Konzentration. Am Nachmittag gleicht die Stadt einer Freiluftausstellung.

###autor### Etwa drei Stunden dauert es, bis ein Blütenteppich fertig ist. Und es bleibt wenig Zeit, ihn zu bewundern, bevor der Prozessionszug ihn noch in der gleichen Nacht zer­stören wird. Wenn es soweit ist, hört man schon von fern traurige Marschmusik. Der Zug biegt in die Straße ein. Männer mit langen Hakenstangen gehen voraus und halten tief hängende Elektro­leitungen hoch. Dahinter kommt etwas, das wie ein riesiger Tausendfüßler aussieht, der sich langsam schaukelnd vorwärtsbewegt.

Etwa 80 Männer tragen einen großen Tisch, auf dem Figuren hocken oder stehen. Man sieht den Gekreuzig­ten, eine Frau und zwei Männer, einer davon gekleidet wie ein römischer Soldat. Die Kreuzigungsszene wird langsam, im Gleichschritt von über hundert Füßen, zur Trauermusik über die bunten Blumenteppiche getragen.

Das Gleiche geschieht an diesem Tag fast überall in Guatemala. Hermandades  (Bruderschaften) bereiten die Prozessionen monatelang vor und zelebrieren sie seit Jahrhunderten auf die gleiche Weise. Sie tragen Gott durch die Straßen. Mit den Blütenteppichen wird er festlich wie ein König empfangen. Als der Papst Guate­mala besuchte, wurden auch für ihn die Straßen geschmückt. Allerdings sei er, so erzählte man mir enttäuscht, ziemlich schnell darüber hinweggebraust.

Hinter dem Prozessionstisch, der hier Anda heißt, laufen die Musiker einer Kapelle, danach kommen Begleiter des Zuges – und am Schluss die Reinigungskolonne mit dem Müllwagen. Die mittlerweile zertretenen Nadeln, Blätter und Blüten werden zusammengefegt und weggeworfen. Die Musik verhallt in der nun schon wieder sauberen Straße.

Die kleine Stadt Antigua in Guatemala zur Osterzeit: bunte Bilder aus gefärbten Kiefernnadeln und Sägemehl, aus Blumen und Palmenblättern mit christlichen Motiven schmücken die Straßen. Jedes Jahr am Karfreitag gestalten die Menschen stundenlang die Plätze vor ihren Häusern. Doch die Zierde weilt nicht lang, denn die Teilnehmer der Karfreitagsprozession marschieren kurze Zeit später darüber hinweg. Hinter der Prozession gehen die Straßenkehrer ans Werk und beseitigen die Überreste der kurzlebigen Kunstwerke.

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