Foto: Herwig Gutzeit, TU Dresden
Tierische Eiweißbombe
In Sachsen futtern Fliegenlarven Biomüll. Wird aus den Insekten ein Rohstofflieferant der Zukunft?
Tim Wegner
26.08.2015

chrismon: Schwarze Soldatenfliege? Klingt gefährlich!

Ariane Adam: Ja, die heißt wirklich so. Soldatenfliegen haben weiß gestreifte Füßchen, die an eine Uniform erinnern. Aber sie lassen Menschen in Ruhe, weil sie keine Nahrung mehr aufnehmen. Sie zehren von dem, was sie als Larve gefressen haben. Die Larven sind Omnivoren – Allesfresser. Wir füttern sie mit Küchenabfällen aus einer Seniorenwohnanlage, die sonst im Müll landen.

Wofür sind die Larven gut?

Die Larven bestehen – den Wasseranteil ­herausgerechnet – etwa zu gleichen Teilen aus Proteinen und Lipiden. Proteine sind ­Eiweißstoffe. Schweine und Hühner brauchen Proteine, deshalb bekommen sie Soja zu fressen. Das importieren wir vor allem aus Südamerika, wo dafür der Regenwald weichen muss. Stünden sie nicht im Stall, würden Hühner und Schweine selbst gern Würmer und Larven ausbuddeln – wir hätten die Larven.

Wie funktioniert Ihre Pilotanlage?

Sie steht in einem Container neben einer Biogasanlage. Unser Ursprungsgedanke war: Wie lässt sich deren Abwärme nutzen? Diese Insektenart braucht es warm. Die ­Fliegen schwirren unter Netzen umher, ihre Eier legen wir in den Nebenraum zum Futter. Bei 28 Grad werden daraus innerhalb von ­24 bis 48 Stunden Larven. Nach zwei Wochen sind sie etwa zwei Zentimeter groß. Wenn sie ausgewachsen sind, flüchten sie aus dem Nährsubstrat, weil sie sich verpuppen wollen. Dabei fallen sie in Schubladen. Einen Teil behalten wir für die Zucht. Den Großteil frieren wir ein. Dabei sterben sie.

Finden Sie das schlimm?

Wir geben ihnen einen Nutzen. Als Soldatenfliegen lebten sie nur weitere zwei Wochen.

Was ist mit den Lipiden der Larven?

Es ist denkbar, dass wir damit mal einen Teil des importierten Palmöls ersetzen können. Der hohe Verbrauch von Palmöl hat auch schlimme ökologische Folgen. Fast jedes zweite Supermarktprodukt enthält Palmöl. Lippenstifte zum Beispiel.

Wie viel Larven könnten Sie produzieren?

In unserer Pilotanlage sind es einige Kilo an Larven. Die Erfahrung zeigt uns, dass aus 300 Tonnen organischem Abfall rund 120 Tonnen Biomasse mit hohem Eiweiß- und Fettanteil werden können – Rohstoff zur Weiterverarbeitung, um Proteine und Lipide zu gewinnen, wenn man Großanlagen hätte.

Und in zehn Jahren?

Können wir vielleicht zehn Prozent der Soja­importe ersetzen. Wir müssen aber die Politik überzeugen, Eiweiß aus Insekten verfüttern zu dürfen. Das war nach dem BSE-­Skan­dal verboten worden. Wir machen aus Abfällen und überschüssiger Energie wertvolle Rohstoffe. Das sollte Zukunft haben!

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