"Selber denken" heißt das diesjährige Motto von "7 Wochen Ohne", der Fastenaktion der evangelischen Kirche. Darin steckt mehr Zündstoff, als man auf den ersten Blick meint. Arnd Brummer erläutert, wieso
Lena Uphoff
05.02.2014

Immer auf das Bauchgefühl zu hören, das gilt als unreflektiert. Auf unseren Kopf ­ver­lassen wir uns dagegen ganz gerne. Wer vor dem Reden das Gehirn einschaltet, wie es ein alter Kalauer empfiehlt, weiß, was er sagt und tut.

Das aber ist gar nicht so gewiss: Wie viele ungeprüfte Gemeinplätze lagern da so in ­unserem Oberstübchen? Worauf berufen wir uns, wenn wir bekannte Regeln und ­Argumente zitieren? Bahnfahren ist ökologisch sauberer als Autoverkehr, Kinder ­ver­bringen zu viel Zeit am Bildschirm, und von Süßigkeiten bekommt man Pickel – das klingt alles richtig und ist schnell mehrheitsfähig. Aber stimmt das – und wie will ich das selber handhaben?

Selber denken! 7 Wochen ohne falsche Gewissheiten – das Motto klingt so selbst­verständlich, erweist sich aber in der Praxis als Herausforderung. Denn wenn wir uns in der Fastenzeit darin üben wollen, geht es nicht um sieben Wochen Vernunftherrschaft. Es kann, im Gegenteil, ganz schön unvernünftig sein, selber zu denken.

Das Bild vom „Denken ohne Geländer“ hat Hannah Arendt geprägt. Es kann nämlich durchaus ­gefährlich sein, Denkverbote zu ignorieren und den Chef auf einen Fehler hinzuweisen. Mut braucht es auch, Gewohnheiten und Traditionen infrage zu stellen – im Job, in der Familie oder in der Kirche. Und wer gern nörgelt über zu wenig Grün in der Stadt oder blöde ­Kandidaten zur Wahl, sollte mal den Zuschauerraum verlassen und selber ­etwas auf die Beine stellen. Dafür muss man den eigenen Kopf gebrauchen – und ­zunächst mal einen haben!

###mehr-extern###Das Geländer vermeintlicher Gewissheiten, kritisch geprüft, erweist sich gelegentlich als morsch – und verzichtbar. Das können wir riskieren, weil wir uns auch freihändig ­gehalten wissen dürfen: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!, ruft Paulus seinen Gemeinden  zu (Gal 5,1). In dieser Freiheit können sich nicht nur neue Denkräume öffnen, sondern auch Spielraum für Worte und Taten.

So geht es dabei um einen neuen, eigenen Blick auf die Dinge – um vielleicht denkend sich selber und die Welt neu zu entdecken. In gut aufklärerischer Tradition heißt das: „Ich denke, also bin ich“ (René Descartes). Die Bibel benennt es noch existenzieller: Mehr als auf alles andere achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben (Sprüche 4,23).

Wir wünschen Ihnen dafür Entdeckergeist, Ketzermut und viel Freude an eigenen Denk-Abenteuern!
 

Arnd Brummer

Geschäftsführer der Aktion, „7 Wochen Ohne“

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Nun überprüfen wir also 7 Wochen lange unsere vermeintlichen Gewissheiten. Bahnfahren ist ökologisch, Videospiele sind ungünstig für die Entwicklung von Kindern, Süßigkeiten sind ungesund usw. usw. Vielleicht auch noch die Selbstheilungskräfte des Marktes, die Vorstellung, dass Ökologie Arbeitsplätze kostet oder dass Kapitalismus böse ist.

Aber kann es sich eine Kirche, die sich an zentralen Stellen auf Glaubenssätze verlassen muss, erlauben, diese einer wirklich kritischen Überprüfung zu unterziehen? Sind ihre Meinungsführer dazu überhaupt in der Lage? Oder geht das im üblichen theologischen Seifenschaum unter? Und sollte sie das in der Fastenzeit tun?

Ich erwarte von dieser Fastenaktion, dass die Splitter in den Augen anderer ausführlich besprochen werden, die Balken im eigenen Auge aber nicht ernsthaft hinterfragt werden.

Thomas

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