Anis Mili / Reuters
"Ich hatte Glück. Der andere starb"
Ein Gespräch mit dem Präsidenten der Synagoge auf Djerba, Tunesien, über antijüdische Attentate
Ruthe Zuntz
03.07.2014

Perez Trabelsi wurde 1941 auf Djerba geboren und ist seit 33 Jahren Präsident der El-Ghriba-Synagoge. Er überlebte zwei Attentate auf sein Gotteshaus: 1985 erschoss ein tunesischer Wachmann drei Besucher. Ein Jahr nach den Attentaten vom 11. September entzündeten El-Kaida-Terroristen einen mit Flüssiggas beladenen Laster vor der Synagoge.

chrismon: Die El-Ghriba-Synagoge, „Die Wundervolle“, ist für Juden ein wichtiger Wallfahrtsort. Warum?

Perez Trabelsi: Weil sich darin ein Stein befindet, den Juden nach der Zerstörung des ersten Tempels aus Jerusalem mitgebracht hatten. Jüdische Frauen beschriften Eier mit ihrem Wunsch nach Kindern, vor allem Jungen, und legen sie auf diesen Stein. Das Ei holen sie sich nach 24 Stunden wieder ab. Die meisten sind danach tatsächlich schwanger.

Sie sind fünffacher Vater. Hat Ihre Frau das auch gemacht?

Nein.

Sie haben zwei Anschläge auf die Synagoge überlebt. Was war da los?

1985 hatten die Israelis die PLO-Zentrale in Tunesien bombardiert. Vier Wochen später erschoss ein tunesischer Polizist hier drei Menschen und verletzte 20 ­weitere. Ich hatte Glück. Ich bin mit einem anderen Juden rausgerannt, der Polizist folgte uns. Der andere starb. Und am Tag des Anschlags von 2002 hatte ich nur wenige Minuten vor der Explosion die Synagoge verlassen.

Wie hat sich das Leben der Juden auf Djerba seit der Revolution von 2011 verändert?

Früher haben die tunesischen Medien die Juden auf Djerba, die Synagoge von El Ghriba und die jährliche Wallfahrt ­verschwiegen. Jetzt berichten sie oft da­rüber. Auch der Kontakt mit der tune­si­schen Regierung hat sich verbessert. Im Mai waren der Innenminister und die Tourismusminis­terin hier. Präsident Moncef Marzouki hatte El Ghriba zehn Monate nach Amtsantritt besucht und gesagt, es gebe ­keinen rechtlichen Unterschied zwischen Juden und Muslimen: Sie alle seien Tunesier. Sein Vorgänger, der gestürzte Prä­sident Ben Ali, war nie hier.

Israel warnte im Frühjahr erneut vor Reisen nach Tu­nesien. Es gab Anschlags­drohungen gegen jüdische Einrichtungen. Auf einigen Demonstrationen in Tunis riefen die Teilnehmer judenfeindliche Parolen.

Manche der Demonstrationen richteten sich nicht gegen die Juden, sondern gegen die Politik Israels. Das ist ein Unterschied. 2014 stellten sich einige unserer Parlamentarier generell gegen die Ein­reise von Parlamentsabgeordneten Is­raels, denn rund 50 von ihnen sind wirklich rassistisch. Dennoch kamen zu einer Wallfahrt immerhin rund 200 Israelis.

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