Michael Ondruch
Mehr als ein Hauch
Vater, Sohn – schon klar. Der Rest ist reine Nervensache. Die Wissenschaft kommt heute ohne „Geist“ aus, der Mensch eher nicht
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
02.06.2014

Er ist wie ein Lufthauch. Das fanden zumindest die alten Hebräer, Griechen und Römer, wenn sie vom Geist sprachen. Eine flüchtige Substanz, nicht zu fassen. Im Atem spürbar und mit dem letzten Atem ausgehaucht. Durch ihn ­werde der Mensch zur Person, ansprechbar und selbst ein Sprechender. Man dachte, es müsse ein Hauch sein, weil die menschliche Stimme ja auch nur erklingt, solange Luft über die Stimmbänder ­streicht.

Alles bloß ein paar zuckende Nervenbündel?

„Nimmst du ihren Geist weg, so ver­gehen sie und werden wieder Staub“, sagt Psalm 104,29–30 über die Geschöpfe. Und über Gottes Geist: „Du sendest deinen Geist aus, so werden sie geschaffen, und du machst neu das Antlitz der Erde.“ Statt Geist könnte man auch übersetzen: Atem.

Und da der Mensch die Natur und ihre Gesetze mit seinem Geist ver­steht, müsse all dies auch nach einem höheren Geist ­gestaltet sein. Nach Gottes Geist. Davon gingen die meisten Gelehrten bis in die Neuzeit aus. Der menschliche Geist sei bloß ein Abbild dieser höchsten Intelligenz.

Der Heilige Geist ist die Aktualitaet Gottes, Jesu Stellvertreter und so vieles mehr - sagt Pastor Henning Kiene im Gespraech mit Hans-Gerd Martens.

Heute kommen Wissenschaftler ganz ohne einen Geist aus, auch ohne den Heiligen Geist. Vieles deutet darauf, dass Wahrnehmen und Erleben, Denken und Wollen reine Nervensache sind. Geis­tige Einschränkungen wie der Verlust von Sprache, Gedächtnis und emotionaler Selbst­kontrolle gehen auf schwere Verletzungen in bestimmten Hirnarealen zurück. Psychopharmaka verändern Persönlichkeiten und geben Patienten das Gefühl, fremdgesteuert zu sein. Computer simulieren, wie aus Gedanken Entscheidungen werden.

Die Liebe Gottes ins Herz gegossen

Ist also der menschliche Geist lediglich das, was Neurologen und Hirnforscher messen, beeinflussen und nachmodellieren können? Nicht unbedingt. Der Geruch klarer Luft nach einem Sommerregen, der bohrende Kopfschmerz, die verzehrende Sehnsucht nach einem Menschen, all das hat realen Erlebnisgehalt und ist mehr als ein Nervensig­nal. Auch meint das Wort Geist mehr als Gehirnaktivität. Menschlicher Geist entsteht im Zusammenleben mit anderen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, auch ein kulturelles. Dank seinem Geist überwindet er natürliche Grenzen. Er kann sich rasend schnell fortbewegen, sich selbst verstehen, sich sogar selbstlos verhalten.

Und was ist jetzt der Heilige Geist? Der habe ihn ergriffen, sagt der Apostel Paulus. Der Geist Christi, des Jesus von Nazareth, habe sich seiner bemächtigt und sein ­Leben verändert. Dieser Geist habe die Liebe Gottes in sein Herz und in die Herzen seiner Mitchristen gegossen, so for­muliert es Paulus im Römerbrief 5,5. Womit er nicht bloß eine von vielen Sektenerfahrungen beschrieb! Die Bürgerbewegung, für die Paulus warb, hat für das Neue geschwärmt, aber auch die Verhältnisse verändert, Gefangene versorgt, Spenden für Hilfsbedürftige aufgetrieben, Sklaven freigekauft.

Der Geist bringt politische Systeme zu Fall

Und sie gab solche Wohltaten nicht als die eigenen aus, sondern schrieb sie dem Geist zu, der in ihr wirkte. Er ist sicherlich nichts Substanzhaftes – kein Lufthauch, wie man sich das zu biblischen Zeiten vorgestellt haben mag. Er ist aus der Sicht der Glaubenden diejenige Kraft, die Menschen grundlegend im Sinne Christi verändert  – Anlass für ein Pfingstfest 50 Tage nach ­Ostern, der Feier der Auferstehung.

Manchmal scheint es, als bringe dieser Geist ganze politische Systeme zu Fall. „Lass Deinen Geist herabsteigen und das Antlitz der Erde erneuern. Dieser Erde!” Mit dieser Anspielung auf Psalm 104,30 betete Papst Johannes Paul II. im Juni 1979 während einer Messe auf dem Warschauer Piłsudski-Platz vor einer halben Million Zuhörer. Ein Jahr später streikten in Danzig die Werftarbeiter, zehn Jahre später fiel der Eiserne Vorhang, ganz ­ohne Gewalt.

Nach christlichem Verständnis ist es dem „Heiligen Geist“ zuzuschreiben, wenn Menschen eine wirklich befreiende Wendung in ihrem Leben erfahren. Dass dann ein neuer Geist im Leben dieses Menschen weht, ist dafür die angemessene Deutung. Aber nichts, was einen Ausschlag auf ­irgendeinem Messgerät hinterließe.

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Sollten sich in Kürze hier und in unserem Zusammenhang gar vom Heiligen Geist berufene Anthropoide zur Diskussion menschlicher Seinsmerkmale einfinden, dann müßte das besonders innerhalb der theologischen Anthropologie artikulierte Selbstverständnis unserer Art wohl grundsätzlich korrigiert werden. Bis dahin bleibt den Naturwissenschaften, nicht zuletzt in erkenntnistheoretischer Selbstvergewisserung, lediglich - der Geist. Also nichts, was mittels bildgebender Verfahren einem isolierenden wie regional eingrenzenden Zugriff direkt zum Forschungsgegenstand werden könnte. Nicht wenige Denker dürften dies allzu inständig erträumen. Indes auch Vertreter unserer haarigen, eingangs genannten Mitgeschöpfe?

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Es muss im Bereich der Religion Veränderungen geben, so wie in allen anderen Bereichen. Die Unterteilung in Vater, Sohn und Heiliger Geist ist überholt. Gott ist identisch mit der Natur. Aber nicht nur mit der uns bekannten Natur. Sondern auch mit der uns (ewig) unbekannten Natur. Christus ist nicht der "Sohn Gottes", sondern ein hochentwickeltes Lebewesen. Das Beten ist sinnlos. Wir brauchen Geistheilung gemäß Rudolf Steiner. So kann der "Heilige Geist" in Form von göttlichen Kräften wahrgenommen werden.

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Die Wissenschaft hat natürlich ein grosses Problem mit allem Immateriellen, nicht nur mit dem heiligen Geist, sondern auch mit der Seele oder den Qualia. Der Grund ist einfach: nichts Messbares kann festgestellt werden. Daraus ist der Schluss zulässig, dass diese Phänome entweder nicht existieren, oder dass die Methoden zu ihrer Erfassung unzureichend sind.

Solange dies der Fall ist, öffnet sich natürlich ein weites Feld für Spekulationen der wildesten Art, was diese Phänomene alles zustande bringen - bis hin zum Fall von Weltreichen. :-)

Da dürfte auch die präziseste Exegese nicht helfen.

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Zitat aus dem Artikel: "betete Papst Johannes Paul II. im Juni 1979 ....zehn Jahre später fiel der Eiserne Vorhang". Der Systemgegensatz zwischen dem kapitalistischen Westen und dem kommunistischen Osten beherrschte für Jahrzehnte die Weltpolitik. Auf welcher Seite Gott stand, ist jedem anständigen Menschen klar. Da verwundert es auch nicht, wenn sogar noch im Jahre 2014 zu lesen ist, dass der Heilige Geist in bewährter Kampfgemeinschaft mit der Heiligen Jungfrau Maria, angerufen vom Papst, den Eisernen Vorhang zu Fall brachte. Jetzt war endlich der Weg frei für die NATO - ganz gewaltfrei, versteht sich -, nach Polen vorzurücken.

Also, verehrte Zeitgenossen! Der Osten wurde nicht etwa dadurch besiegt, dass die Führer der KPDSU ihre Politik änderten. Die hatten nämlich eine andere Tour drauf, ihr Menschenmaterial zu benutzen. Dann merkten sie schließlich, dass die westliche Art, das Volk ans Arbeiten und Gehorchen zu bringen, Markt und Demokratie nämlich, für die Herrschaft die weitaus effektivere ist. Deshalb sattelten sie um. Nein, nein, von solchen schnöden Überlegungen sollte man sich nicht irritieren lassen! Der Heilige Geist war es.

Zum Abschluss singen wir gemeinsam, weil es so erhebend ist: "O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein."

Zwei junge Ärzte meinten mal im Krankenmhaus vor Jahren, es gebe keinen Geist, alles sei durch die Gene bedingt. Wie hätten sie wohl reagiert, wenn man ihnen gesagt hätte: "Ihr habt vielleicht bloß keinen abbekommen!"?
Bei einem meiner Ich-kann-Schule-Vorträge fragte ich die anwesenden LehrerInnen, wie oft sie in den letzten drei Jahren in der Schule die Worte Geist & Seele gehört hätten. Alle bekundeten, die hätten sie dort überhaupt noch nicht gehört.
Selbst um sich von Geist zu distanzieren brauchen wir offensichtlich Geist.
Freundlich grüßt
Franz Josef Neffe

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