09.10.2014

Ich wurde ganz klassisch evangelisch sozialisiert, meine beiden Eltern hatten mit der Kirche zu tun, hatten sich sogar über den Kindergottesdienst kennengelernt. Konfirmiert wurde ich in Erlangen, mein Konfirmationsspruch, den ich mir selbst ausgesucht hatte, lautet: »Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.« (Apg 5,29) In der Grundschule war Albert Schweitzer eines meiner Vorbilder, später hat mich Taizé geprägt und die Einsicht, dass eine christliche Kirche nicht mehrere Organisationen braucht.

Mit vierzehn Jahren ging ich zu den christlichen Pfadfindern und war dann lange in der Jugendarbeit aktiv, als Gruppenleiter, auch als Vorsitzender des Landesjugendkonvents der Evangelischen Jugend in Bayern. In dieser Zeit der Friedensbewegung haben wir ganz intensiv über Ethik diskutiert. Die damals vorhandene Trennung zwischen Frommen und Politischen mochte ich gar nicht. Ich vertrat die Haltung: Die Menschen sollten politisch werden aus ihrer Frömmigkeit heraus. Wir wollten das Evangelium Jesu Christi jungen Menschen in die Lebenswirklichkeit bezeugen.

Es gab damals Vertreter der Kirchenleitung, die uns zugehört haben. Ich erinnere mich an ein Treffen im Landeskirchenamt, bei dem wir nicht nur die »Bösen« waren, sondern auch dort gab es verschiedene Meinungen und der spätere Landesbischof Hermann von Loewenich hat uns verteidigt. Klar, man lästerte über die Amtskirche, war aber ein Teil davon, das passte gut zusammen. In Erlangen hatte ich während des Studiums viel Kontakt mit Theologiestudenten und jungen Pfarrern. Später war ich aktiv im »Leitenden Team« des »Arbeitskreises Evangelische Erneuerung«, in anderen Landeskirchen nennen sich diese Gruppen »offene Kirche«. In unserer Regionalgruppe haben wir das Politische Gebet als Abendgebet zu Themen der Zeit wieder aufgenommen. Das war ein spannender Versuch, in die vorhandene Gottesdienstordnung aktuelle Themen zu integrieren.

Noch heute habe ich konstante, aber lose Verbindungen zu den christlichen Pfadfindern und dem bayerischen Landes­jugendkonvent, bin im Kuratorium der Evangelischen Akademie Neudietendorf, auch wenn ich in der Ortsgemeinde nicht aktiv bin.

Mir war immer, auch als Wissenschaftler, wesentlich, dass da kein Widerspruch ist zwischen Glaube und säkularem Verständnis der Welt. Glaube hilft, die Welt zu verstehen und hilft mir für mein Leben, ist aber kein Widerspruch zu meiner Arbeit. Christlicher Fundamentalismus ist mir höchst zuwider, Fundamentalisten verraten die Ideen des Christentums, bis hin zur Leugnung der Evolution. Die Bibel ist nicht überall widerspruchsfrei, aber in den Evangelien ist das Verhältnis zu materiellen Werten eindeutig beschrieben: Kapitalismus als Lebensziel für Menschen wird abgelehnt. Die Anhäufung von Reichtum als Lebensziel widerspricht fundamental allem, was uns gesagt worden ist, wie wir als Menschen leben sollen.

Gottesdienst lebt in der Spannung zwischen zum einen: Elemente wiedererkennen, aufgehoben sein, zum anderen soll er Anstöße geben ins Leben hinein. Als gut bezeichne ich einen Gottesdienst, bei dem beides funktioniert. Gleichwohl halte ich es im Alltag mit dem stillen Kämmerlein. Ich bin nicht der, der öffentlich betet oder öffentlich über seinen Glauben redet.

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