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Fehlschlüsse vermeiden!
Das Internet ist für den Austausch über religiöse Themen nicht wichtig. Sagt zumindest eine EKD-Studie zur Kirchenmitgliedschaft. Kann das überhaupt stimmen?
Dorothea Siegle, Leitung der Corporate Media-Abteilung, leitende Redakteurin JS Magazin, GEP, August 2017Lena Uphoff
26.10.2014

chrismon: Sie haben für die Studie „Engagement und Indifferenz“ vom März 2014 evangelische Kirchenmitglieder und Konfessionslose befragt. Was genau haben Sie zur Kommunikation über religiöse Themen gefragt?

Birgit Weyel: Wir haben zunächst allgemein gefragt – ohne speziellen Bezug auf Medien: Mit wem haben Sie sich in den letzten zwei Monaten über religiöse Themen ausgetauscht? 56 Prozent der evangelischen Befragten sind an dieser Stelle bereits ausgestiegen und haben gesagt: Ich habe mich mit niemandem über religiöse Themen ausgetauscht. 44 Prozent sagen, dass sie es häufig, gelegentlich oder immerhin selten tun.

Eine Mehrheit spricht gar nicht über religiöse Themen – das ist erstaunlich!

Ja. Und von denen, die es doch tun, haben viele nur eine, maximal zwei Personen genannt, mit denen sie sich über religiöse Themen austauschen, meistens zu Hause und im direkten Gespräch, in der Regel mit dem Lebenspartner oder mit der Ehefrau. Es sind zunächst einmal wirklich die Ehe- oder Lebenspartner und sehr enge Freunde, mit denen Menschen über religiöse Themen sprechen.

Was verstehen Sie unter religiösen Themen?

Wir haben es die Teilnehmer der Mitgliedschaftsuntersuchung definieren lassen. Die vier meistgenannten Themen waren: der Tod, der Anfang der Welt, Fragen von Sterbe­hilfe und Selbsttötung sowie der Sinn des Lebens. Es geht darum, wie man Schicksalsschläge bewältigt, um den übergreifenden Sinn, um Endlichkeit.

Das ist ja nun nichts, worüber man täglich spricht, vielleicht nicht einmal alle zwei Monate.

Ja. Aber man muss sehen, worauf ein Fragenkomplex zielt: Wir haben nicht Mediennutzung untersucht, auch nicht Religion im ­Internet. In der Kirchenmitglied­schaftsuntersuchung (KMU) laufen bestimmte Fragenkomplexe seit 1972 fast unverändert mit. Neu daran sind in der aktuellen Untersuchung eben die Fragen zur religiösen Kommunikation und der Netzwerkansatz: also dass Kirche auch schon da ist, wo zwei oder drei miteinander ins Gespräch kommen über Religion.

In Ihrer Studie schreiben Sie auch, dass Kirchenmitglieder insgesamt seltener ­Telefon, Handy, Internet und E-Mail nutzen als Konfessionslose. Woran liegt das?

An einer Stelle haben wir gefragt: Wie oft beschäftigen Sie sich in der Freizeit mit Internet und Computer? Da hat ein Viertel der Evangelischen gesagt: nie, und 9,7 Prozent: selten. Aber nahezu jeder Zweite hat gesagt: sehr häufig oder häufig. Und man muss sich anschauen, wie die Altersgruppen verteilt sind: In der Gesamtbevölkerung nutzen ganz klar weniger Menschen über 60 Jahre Internet und Computer. Unsere Kirchenmitglieder sind im Durchschnitt eben älter als die Gesamtbevölkerung. In der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahre aber nutzen über 99 Prozent der Evangelischen das Internet!

Welche Fehlschlüsse aus den Ergebnissen der KMU sollte man aus Ihrer Sicht vermeiden?

Es wäre ein Fehlschluss zu sagen, dass Religion kein Thema fürs Internet ist, sondern ausschließlich für das direkte Gespräch von Mensch zu Mensch. Das wäre falsch. Wenn man sich das Fragesetting der KMU genauer anschaut, kann man das aus unseren Fragen auch nicht ableiten. 

Wie viele Leute ihre ehrenamtliche Gemeindearbeit über E-Mail und Clouds ­organisieren, wie viele in der Konfiarbeit WhatsApp nutzen, wie viele jeden morgen in ihrer Timeline auf Facebook ein Gebet lesen – all das ist in Ihrer Befragung also nicht erfasst.

Richtig. Ich würde das gerne ergänzen: Wenn zum Beispiel junge Paare einen Trauspruch suchen oder ein Mensch in einem Lebens­beratungsforum Hilfe sucht – das ist auch ein Austausch über religiöse Themen. Nur wird es häufig von den Betroffenen nicht als religiöse Kommunikation identifiziert. Ich glaube, hier kommt man mit quantitativen Methoden auch nicht unbedingt weiter, sondern müsste zum Beispiel schauen: Wie verändert sich der Alltag durch das Internet, welche Bedeutung hat eine bestimmte Kommunikationsform im Leben eines Menschen? Da wird es doch eigentlich erst richtig interessant.

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