Marco Wagner
Eine unabhängige Frau
Bildung statt Mode- und Verhaltenstipps: Ihr Erfolg als Schriftstellerin macht Sophie von La Roche Mut zu einer neuen Frauenzeitschrift
chrismon
30.12.2014

Das könnte den Männern so passen! Die Frauen auf ihre modische Kleidung, ihr Aussehen und ihr unauffällig-angepasstes Verhalten zu reduzieren? „Nützlich und gefällig“, so wünschen sich die Männer ihrer Zeit die Frauen, und dieses Bild vermitteln auch die Zeitschriften „für das schöne Geschlecht“. Sophie von La Roche, erfolgreiche Romanautorin, will das nicht länger hinnehmen und bringt eine eigene Zeitschrift heraus. „Pomona“, so der Titel, „wird Ihnen sagen, was ich als Frau dafür halte“, schreibt sie 1783 über ihr verlegerisches Konzept. „Pomona“ wird ein Erfolg, ideell und finanziell. Katharina II. von Russland kauft kurzerhand 500 Abonnements, um sie am Hof zu verteilen.

Sophie von La Roche, 1730 in Kauf­beuren geboren, wächst in einem großbürgerlichen Elternhaus auf. Sie lernt früh lesen, dem ehrgeizigen und streng pietistischen Vater ist ihre Bildung wichtig. Doch Latein darf sie, trotz ihrer Bitte, nicht lernen, das ginge dann doch zu weit für eine Frau. Als 17-Jährige muss sie sich dem Vater beugen und die Verlobung mit einem italienischen Arzt lösen, einem Katholiken. Kurz darauf trifft sie den angehenden Dichter Christoph Martin Wieland und verliebt sich. Er ermutigt sie zum Schreiben, doch die Beziehung zerbricht.

Schließlich geht Sophie eine Vernunft­ehe mit dem Hofrat Georg Michael Frank La Roche ein. Die beiden ziehen an den kurfürstlichen Hof zu Mainz. Ein Aufstieg für die junge Frau: vom bürgerlichen Haushalt in adelige Kreise. Sie vertreibt sich die Zeit als Gesellschafterin. Dass ihr Part bei der Erziehung ihrer acht Kinder den Konventionen am Hof entsprechend eher ein organisatorischer als ein pädagogischer ist – Ammen, Hofdamen, später Internatslehrer gilt es zu beauf­sichtigen –, passt ihr nicht. Die gebildete Frau will schreiben, aufklären, publizieren.

Die erste finanziell unabhängige Schriftstellerin Deutschlands

„Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ erscheint 1771 zunächst ano­nym, herausgegeben von Wieland, mit dem sie ihr Leben lang Kontakt hält. „Ich wollte nun einmal ein papiernes Mädchen erziehen, weil ich meine eigenen nicht hier hatte“, schreibt Sophie von La Roche über ihren Briefroman. Sie schafft eine Figur, um ihre pädagogischen Vorstellungen zu vermitteln. Das Fräulein von Sternheim widersetzt sich den Konventionen des Adels, bleibt tugendhaft aus eigener Kraft – für die Leserinnen ist die Protagonistin ein Vorbild an Selbstbestimmung, die Dichterkollegen Herder oder Goethe, junge Stürmer und Dränger, loben die Darstellung der leidenschaftlichen Gefühle. In mehrere Sprachen übersetzt wird das Buch ein Bestseller und Sophie von La Roche, 41 Jahre alt, schlagartig berühmt. Mit diesem Erfolg gilt sie als die erste finanziell unabhängige Schriftstellerin Deutschlands.  Ihr Haus – inzwischen wohnt die Familie am Hof des Kurfürsten in Ehrenbreitstein bei Koblenz – wird zum Treffpunkt für Intellektuelle: Die Brüder Jacobi, Wieland oder Lavater treffen sich hier, auch Goethe ist hin und wieder zu Gast. Er lässt Sophie von La Roche seinen „Werther“ beurteilen und verguckt sich in ihre Tochter Maximiliane.

1780 ist es vorbei mit dem eleganten Leben am Hof: Wegen seiner Kritik an Adel und Mönchswesen fällt ihr Mann bei Hof in Ungnade, die Familie zieht erst nach Speyer, dann nach Offenbach. Doch Sophie von La Roche blüht auf: Sie gründet die Zeitschrift „Pomona für Teutschlands Töchter“. Während es in den Journalen dieser Zeit um Mode, Schönheit und darum geht, wie man sich als Frau verhalten soll, stehen in „Pomona“ philosophische Texte über Erziehung und Bildung im Vordergrund. Zwei Jahre lang erscheint das Frauenmagazin, und die Herausgeberin steuert einen großen Teil zum Familienunterhalt bei. Etwa zur gleichen Zeit entdeckt sie das Reisen für sich – auch darüber schreibt sie.

Lange kennt man Sophie von La Roche nur als „Großmutter von Clemens Brentano und Bettina von Arnim“. Etwas Aufrührerisches, Revolutionäres hatte sie nicht. Im Gegenteil: In ihren Schriften gibt sie sich eher ausgleichend, Harmonie suchend. Dennoch hat Sophie von La Roche vor allem mit „Fräulein von Sternheim“ und „Pomona“ wesentlich zum Selbstverständnis der Frauen des Bürgertums beigetragen.

Sophie von La Roche starb am 18. Februar 1807 in Offenbach.

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