Foto: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Marko Priske
Mahnmal für Euthanasieopfer
In der Villa der Liebermanns planten die Nazis den Mord
Ruthe Zuntz
07.10.2014

Matthias Liebermann, 45, war Ehrengast, als Anfang September der Gedenk- ­und Informationsort für die Opfer der Euthanasie eingeweiht wurde. Denn das Denkmal hinter der Philharmonie am Berliner Tiergarten steht genau da, wo sein jüdi­scher Urgroßvater Georg wohnte, der Bruder des Malers Max Liebermann.

chrismon: Was bedeutet das Denkmal für Sie?

Matthias Liebermann: Die Zentrale des Nazi-Tötungsprogramms „Aktion T4“ befand sich ausgerechnet im Haus meiner Urgroßeltern in der Tiergartenstraße 4. Zudem hat sich mein Vater, ein Neurologe und Psychiater, stark mit den NS-Verbrechen auseinandergesetzt. Er hat auch finan­ziell dazu beigetragen, die Gräueltaten der Nazi-Ärzte zu erforschen.

Kannten Sie die Villa?

Ich habe sie nie gesehen. Sie hatte über 20 Zimmer, war in der Familie aber nicht besonders beliebt, außer bei meinem Urgroßvater Georg, einem Textil­fabrikanten. Er hatte die Stadtvilla 1909 für eine Million Reichsmark erworben. Er wollte nah am Tiergarten wohnen, wo der Kaiser spazieren ging.

1926 starb Ihr Urgroßvater. Was geschah dann?

Die Erben, meine Großtante und mein Großvater, fanden das Prachtgebäude für normale Wohnzwecke ungeeignet und vermieteten es. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 beschlagnahmten die Nazis die Villa und zahlten Miete an ­meine nichtjüdische Großmutter Klara Liebermann. 1940 starb mein Großvater Hans, die Familie musste die Villa ans Deutsche Reich übereignen.

Und wie kam die Euthanasiezentrale der Nazis ins Haus?

Erst brauchte Albert Speer das Grundstück für seinen geplanten Ausbau Berlins zur Welthauptstadt. Am südlichen Rand des Tiergartens sollte eine monumentale Soldatenhalle entstehen. Der Abriss verzögerte sich, Hitlers Kanzlei nutzte die Villa als Organisationszentrale für die Euthanasiemorde.

Auch Ihre Familie wurde von den Nazis verfolgt.

Mein Großvater, Chemieprofessor und Träger des Eisernen Kreuzes aus dem Ersten Weltkrieg, wurde 1935 von der Technischen Hochschule Berlin entlassen und nahm sich 1938 das Leben. Er wollte seinen Kindern wohl das Leben erleichtern. Meine Großtante Martha sollte 1943 nach There­sienstadt deportiert werden und nahm sich vorher mit 85 Jahren das Leben. Mein Onkel Heinrich durfte in Nazi-Deutschland nicht arbeiten und emigrierte 1936 nach Südafrika.

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