Foto: Paula Winkler
So leben, wie es für die Umwelt verträglich wäre. Viel mehr hatte sich Jan Haase gar nicht vorgenommen. Bis er schließlich zugeben musste: Selbst das ist ihm fast unmöglich
11.06.2014

Ich wollte torffreie Blumenerde kaufen. Die ist aus Kompost, Rindenhumus, Holzfasern. Das schützt die Moore. Weiß ich schon seit Jahren. Aber immer wenn ich im Frühjahr den Balkon bepflanzen wollte, stand ich irgendwann im Baumarkt, sah die Torfsäcke und nahm sie aus Bequemlichkeit mit. Diesmal nicht. Ich sagte also: Ich hätte gern torffreie Blumenerde. Die ist ausverkauft, hieß es. Und bei den anderen Baumärkten, die ich mit dem Rad abklapperte, ebenfalls. Sie würden die Blumenerde nachbestellen und mich anrufen, wenn sie da ist.

Wochen vergingen, es wurde Frühling, die Blumen bei den Nachbarn blühten schon. Und meine Freundin sagte, ich solle endlich zum Bioladen fahren, da gebe es die Erde auch, nur etwas teurer. Aber ich wollte das bis zum Ende durchfechten und rief wieder beim Baumarkt an. Ich dachte, ich nerve die jetzt jedes Jahr, bis sie genug von dem Zeug bestellen. Und irgendwann kam dann auch der Anruf, dass die Erde da sei.

Wozu der Stress? Und dann für so einen Kleinkram? Weil ich bei mir selbst anfangen muss, wenn sich auch im Großen was ändern soll. Das ist mir schlagartig klargeworden, als ich mal an einem Rechenspiel teilnahm und dabei versuchte, meinen öko­logischen Fußabdruck auf 1,7 Hektar zu beschränken. Das ist die Fläche, die jedem Bewohner auf der Erde rein rechnerisch für seine Bedürfnisse zur Verfügung steht. In Deutschland beansprucht jeder durch seinen Konsum derzeit 4,2 Hektar. Bei mir kam heraus, dass ich allein durch meine Ernährung schon mehr als die Hälfte der verfügbaren Fläche verbrauche.

Dabei esse ich doch schon fast kein Fleisch mehr. Aber eben andere tierische Produkte. Auf viele Käsesorten möchte ich ungern verzichten, und Butter mag ich viel lieber als Margarine. Ich versuche immer öfter, Milchprodukte zu ersetzen – und streiche dafür pflanzliche Brotaufstriche aus Tomaten, Auberginen oder Kichererbsen aufs Brot. Erst einen Tag in der Woche, dann mal eine ganze Woche. Ich hoffe, dass ich es irgendwann nicht mehr als Verzicht empfinde.

Ich bin in vielen Dingen noch nicht so konsequent, wie ich es gern wäre. T-Shirts, Socken und Unterwäsche bestelle ich zwar bei einem Ökolabel im Internet, aber bei Jeans kneife ich. Die zwei Marken, die mir besonders gut passen, kaufe ich immer wieder. Oder die Frage: Stoffwindeln für unser zweites Kind? Geht auch nicht. In der Mietwohnung können wir die nicht trocknen. Und ein Wäschedienst ist uns zu aufwendig, dann muss immer einer da sein, wenn die kommen. Oder der Plastikmüll, den wir pro­duzieren – unter einer Tüte pro Woche geht es nie. Trotz Einkaufs im Bioladen.

Ich mache eben kleine Schritte. Sonst würde ich resignieren. Bei meiner Freundin funktioniert es schon mit dem papierlosen Büro. Sie hat ein Buch geschrieben und dafür nur einen Leitzordner mit Unterlagen gebraucht, alles andere hat sie mit dem Computer gemacht. So weit bin ich noch nicht – aber ich arbeite daran.


"Ich belehre andere Leute nicht mehr, wie schädlich Fliegen ist."


Im Sommer, bevor unser Sohn geboren wurde, waren wir wandern. Nicht im Himalaya, sondern am Rheinsteig. Rund 300 Kilometer von Bonn bis Wiesbaden. Für mich war das einer der faszinierendsten Urlaube. Oberhalb von Rüdesheim gibt es ein Gasthaus, da kostet ein Glas Winzerwein 1,80 Euro, man kommt mit den Einheimischen ins Gespräch – und fühlt sich gleich wie unter Freunden. Meine Freundin und ich hatten das Gefühl, beim Wandern ganz viel Zeit zu haben, Zeit zu reden, nachzudenken, einfach weil wir so wenig planen mussten – in einer fremden Stadt oder einem fremden Land kann man sich nicht so treiben lassen.

Wieder zu Hause schwärmten wir von dem Urlaub, verliehen den Reiseführer. Inzwischen haben die Tour einige von unseren Freunden nachgemacht, die sich das vorher nie hätten vorstellen können – wandern und dann noch in Deutschland!

Ich belehre jetzt andere Leute nicht mehr darüber, wie schädlich Fliegen oder Autofahren sind. Sondern ich erzähle, dass ich morgens beim Radeln zur Arbeit den Frühling rieche. Und dass mir die vielen SUV-Fahrer in meiner Straße fast schon leid tun, weil sie sich gegenseitig zuparken. Meine Mutter habe ich mit dem autofreien Leben schon angesteckt. Sie hat vor einiger Zeit ihr Auto verkauft. Mit dem Seniorenticket des Verkehrsverbundes Rhein Neckar fährt sie nun in Orte, in denen sie mit dem Auto nie war, obwohl sie direkt vor ihrer Haustür liegen. Neulich rief sie an und erzählte ganz begeistert: Ich war zum ersten Mal in Würzburg.

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