Niko Tavernise/Photo credit: Niko Tavernise
Eine Arche aus Hollywood
Bibelgeschichten kommen zurück ins Kino. Mit viel Effekt und großem Gefühl wie jetzt in Darren Aronofskys "Noah"-Film
02.04.2014

Die Menschen zerstören sich selbst, sie vernichten ihre natürlichen Ressourcen. Das Ende ist unausweichlich. Einer soll einen neuen Anfang wagen. Er ringt mit sich und mit Gott. Er baut eine Arche. Mit Hilfe seiner Familie und seines Gottes kann er auch die überwinden, die nicht die Welt, sondern nur sich selbst retten wollen. – Klingt wie eine Parabel auf das bevorstehende Welt­ende, auf eine Apokalypse, die Platz für einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen soll. Klingt wie Noah, der aus der Bibel. Und „Noah“ ist seit vergangenen Donnerstag im Kino. In der Hauptrolle: Oscar-Preisträger Russell Crowe, der auch schon „Der Gladiator“ war.

„Noah“ von Regisseur Darren Aronofsky ist nicht der einzige groß angelegte Bibel­film aus Hollywood. Weihnachten 2014 soll „Exodus“ von Ridley Scott in die Kinos kommen, mit Christian Bale als Moses. ­Eine andere Verfilmung der Moses-Geschichte unter dem Titel „Gods and Kings“ soll ebenfalls unter hochkarätiger Regie in der Projektphase sein. Dazu wurde erst Steven Spielberg und jetzt Ang Lee ­(„Life of Pi“) gehandelt.

Auch Huftiere finden paarweise in die gewaltige Holzkonstruktion.
Literaturverfilmungen waren schon ­immer beliebt, die Stoffe der Bibel besonders. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts interessierten sich europäische Produzenten vor allem für das Neue Testament. Die Passion Jesu zum Beispiel – mal im realistischen Stil, mal mit fantastischen Spezialeffekten: Auferstehung und Himmelfahrt überblendet. Ab den 20er Jahren lieferte eher das Alte Testament die Motive, gefragt waren Filme mit gefährlichen Frauen: Salome, Delilah, Esther. Die spielen in der Bibel eher Neben­rollen. Im Kino schmückte man das Geschehen um sie oft sehr frei aus.

Aber Noah? Bei den männlichen Helden ­ist neben Jesus die Figur des Moses besonders filmreif. Zu Moses gehört die Heldenreise, der Aufbruch ins Ungewisse, gehören Prüfungen, Krisen und Entscheidungen – auch die weltweite Wirkungsgeschichte der Zehn Gebote, zum Beispiel in den ­Monumentalfilmen von Cecil B. DeMil­le mit „Die Zehn Gebote“, 1923, und seinem noch monumentaleren und bekannteren Remake von 1956.

Noah brauchte dagegen meist eine Nebengeschichte, um überhaupt einen ganzen Film tragen zu können. In früheren Produktionen von 1963 und 1999 zog man die lasterhafte Stadt Sodom hinzu, die hier schon vor der Sintflut vernichtet wird. Eine interessante Interpretation, denn im Buch Genesis vergehen nach Noahs Tod im neunten Kapitel einige Hundert Jahre, in denen der Turm zu Babel gebaut wird, bis Abrahams Neffe Lot auf die Bühne tritt und eine Sodomiterin heiratet. Dann erst wird Sodom zerstört.

Mit der Neuauflage der Bibelfilme will Hollywood wieder Amerikas millionenschweres christliches Publikum an die ­Kinokassen bringen, wie schon 2004 mit Mel Gibsons „Die Passion Christi“. Der Film spielte weltweit 600 Millionen Dollar ein. Viele der aus europäischer Sicht evangelikalen christlichen Kirchen und Gruppierungen halten sich beim „liberalen“ Hollywoodkino noch immer weitgehend zurück. Sie sehen lieber sogenannte Familienfilme und Produktionen biblischer Stoffe, die in Europa oder Deutschland nicht einmal auf den DVD-Markt kommen.

Nur Kapitän Noah (Russell Crowe), hart draußen aus, bis es schon zu regnen anfängt.
Christliche Gruppierungen versuchen auch lautstark auf die Filmindustrie Einfluss zu nehmen. Die „Catholic Legion of Decency“ (Katholische Liga für Anstand) etwa rief immer wieder zu Kinoboy­kotten auf. Im protestantischen Bereich setzt ­
sich seit zwei Jahrzehnten vor allem die „Christian Film and Television Commis­sion“ für Filme mit „konservativen“ Werten ein. Der nach eigenen Angaben bekannteste explizit christliche Filmkritiker Ted Baehr betont unermüdlich, dass solche Filme nicht nur die positiven Werte von Familie und Religion hochhielten, sondern auch mehr Geld einbringen würden. Kein unwichtiges Argument für eine Produk­tionsfirma wie Paramount Pictures, die für „Noah“ mehr als 125 Millionen Dollar bereitgestellt hat.

Die Hoffnung, Mel Gibsons Coup von 2004 zu wiederholen, lastet derzeit allerdings weniger auf „Noah“ als auf dem ­Ende Februar 2014 in den USA gestarteten Jesus-Film „Son of God“, einem Zusammenschnitt aus der Emmy-nominierten History-Channel-Miniserie „The Bible“. Er hat nach Voraufführungen in Kirchen und einhelligem Lob die Messlatte für den Noah-Film sehr hoch gehängt.

Auch bei „Noah“ wird in den USA weniger die filmische Interpretation als vielmehr die Reaktion der jüdischen und christlichen Zielgruppen im Mittelpunkt stehen. Dabei hat „Noah“-Regisseur Darren Aronofsky – 1969 in einem konservativ-­jüdischen Lehrerhaushalt in Brooklyn geboren – unabhängig von christlichen Publikumsinteressen zu seinem Stoff gefunden. Bereits als 13-Jähriger hatte Aronofsky einen Wettbewerb der Vereinten Nationen zum Thema Frieden mit einem Gedicht über Noahs Taube gewonnen: Sie trägt einen Olivenzweig in ihrem Schnabel, ein Zeichen der Hoffnung für neues Leben auf der eben noch überfluteten Erde. Heute ­betont Aronofsky in Interviews, er habe
spätestens seit 1998 die Idee, die Geschichte des „düsteren und komplexen Helden“ in Szene zu setzen.

Aronofskys Noah ist bestimmt, die Welt zu retten und zugleich ihrer Zerstörung beizuwohnen. Er erhält direkte Weisung von Gott und hat sich dabei den eigenen Abgründen zu stellen. Von diesen Abgründen steht nichts in der Bibel. Und genau daran nimmt das christliche Publikum Anstoß.

Darren Aronofsky (links) and Russell Crowe (rechts) am Set während dem Dreh.
Noch während der Produktion des Films bekamen ausgewählte christliche Zuschauer eine Testversion zu sehen. Sie enthielt ihnen zu wenig Gottvertrauen und christliche Moral. Mit nachgedrehten Dialogen sollten die Zweifler gnädig gestimmt werden. Unter anderem stellte man klar, dass die wichtigen Unterstützer des Arche­baus, Noahs Sohn und seine Freundin, ordentlich miteinander verheiratet sind und nicht einfach so zusammenleben. 

Für Paramount Pictures ist „Noah“ nach der Kritik aus dem christlichen Lager ­offiziell gar kein Bibelfilm, sondern bloß „inspiriert von der Bibel“. Einigen arabischen Staaten ist das immer noch zu viel, da Noah auch zu den Propheten gezählt wird. Sie zeigen den Film nicht.

„Noah“ startete am 3. April. „Exodus“ soll am 25. Dezember 2014 anlaufen.

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