Toby Binder / Anzenberger/Toby Binder
Schlimmer noch: Die Kameruner Anwältin Alice Nkom wirft den Bischöfen vor, die Stimmung gegen Homosexuelle im Land erst anzuheizen
26.02.2014

Sie setzen sich für die Rechte Homosexueller ein, zum Beispiel für Jean-Claude Mbede, der inzwischen gestorben ist. Was war da passiert?

Alice Nkom: Mbedes Fall hatte mit einer SMS begonnen, in der er einem Bekannten seine Liebe gestand. Er hatte „Ich liebe dich sehr“ und „Sei mir bitte nicht böse“ geschrieben. Der Mann rief dennoch die Polizei. Mbede wurde festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt.

Nach seiner Verurteilung im April 2011 erklärte ihn Amnesty International zu einem politischen Gefangenen. Wie ging es weiter?

Als man ihn im Juli 2012 auf Kaution entlassen hat, damit er in sein Dorf zurückfahren kann, ging es ihm schon nicht gut. Er hätte gleich nach seiner Frei­lassung operiert werden müssen. Aber seine Verwandten haben ihn zu Hause festgehalten. Seine Schwester sagte, sie hätte gerne, dass er an seiner Krankheit stirbt. Das ­würde sie von dem „Fluch“ befreien, der aus ihrer Sicht auf der Familie lastete.

Auch seine Familie verurteilte ihn?

Ja. Dabei war er bis dahin der Stolz seiner armen ­Familie, er machte sogar einen Abschluss an der Universität.

Seine Familie wurde Jean-Claude Mbede dann zum ­Verhängnis.

Ja, als er einmal in seinem Dorf war, hatten wir kaum ­eine Chance zu intervenieren. Zwei Tage vor seinem Tod im Januar haben wir einen Mitarbeiter dorthin geschickt, um Neuigkeiten von ihm zu bekommen. Die Verwandten haben ihn zuerst beschimpft. Dann haben sie behauptet, Mbede sei in Belgien, dabei lag er im Zimmer nebenan im Sterben. Seine Schwester hat unseren Verein für seine Homosexualität verantwortlich gemacht. Wir hatten sogar überlegt, ob wir ihn mit einem Krankenwagen rausholen lassen können, mit verkleideten Wachmännern. Aber es war zu spät. Mbede wurde nur 34 Jahre alt.

Seine Familienmitglieder behaupteten, er sei einen ­Pakt mit dem Teufel eingegangen. Solche religiösen Metaphern hört man in Kamerun häufig. Welche Rolle spielt die Religion bei der Verurteilung der Homosexualität?

Eine sehr verhängnisvolle. Es waren Bischöfe der katholischen Kirche, die in Kamerun den Feldzug gegen Homo­sexuelle begonnen haben. Inzwischen werden Homosexuelle für alles Böse verantwortlich gemacht, zum Beispiel für Korruption. Der Erzbischof Tonyé Bakot von Yaoundé hat 2005 in seiner Weihnachtspredigt gesagt, man bekomme nur einen Job, wenn man die Hosen ­runterlasse, wenn man sich also hochgeschlafen hat. Die Medien haben das verbreitet. Ein Jahr später erschien ­eine Liste mit 50 angeblich homosexuellen Prominenten in zwei Zeitungen.

Sind sich Kirche und Politik in ihrer Haltung gegenüber Homosexuellen einig?

Ja, auch wenn sie sich sonst nicht einig sind. In bischöflichen Rundschreiben wirft die katholische Kirche den Politikern kurz vor Wahlen vor, nichts gegen die Armut zu unternehmen. Und sie klagt die staatlichen Behörden an, weil sie die Mörder der zahlreichen Geistlichen, die in den letzten Jahrzehnten getötet wurden, nicht gefunden haben. Nur in ihrer Abneigung gegen Homosexuelle sind sich Kirchenleute und Politiker einig.

Erzbischof Tonyé Bakot trat Ende Juli 2013 zurück. ­Warum?

Bakot wird vorgeworfen, Geld veruntreut zu haben. Vielleicht hatte er zuvor geglaubt, je mehr Lärm er um die Homosexuellen macht, desto weniger achte man darauf, wie er seine Diözese führt. Homophobe sind oft Leute, die etwas zu verbergen haben. Deshalb wollen sie die Aufmerksamkeit auf die Homosexuellen lenken. Und das gelingt ihnen leider auch. Unglücklicherweise haben die Protestanten genauso geredet.



Sie sind Protestantin.

Ich kann aber wegen der heftigen Schmähreden nicht mehr in die Kirche gehen. Jesus sagt: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Der Gott, der mich erschaffen hat, hat auch die Homosexuellen erschaffen. Ich war eine Presbyterianerin. Ich finde darin keinen Sinn mehr.

Wenn man Kameruns Präsident Paul Biya glauben darf, ändert sich die Stimmung zugunsten von Homosexuellen. Sehen Sie das auch so?

Nein, überhaupt nicht. Schon 2006 hatte Präsident Biya gesagt, Homosexua­lität sei etwas Privates und die Privatsphäre heilig. Trotzdem hat er das Gesetz, das Homosexualität unter Strafe stellt, nicht ­abgeschafft.

Immerhin haben Sie vor kurzem erreicht, dass ein Berufungsgericht zwei Angeklagte, die für fünf Jahre ins Gefängnis gehen sollten, freisprach.

Der Richter hatte im erstinstanzlichen Urteil argumentiert, die beiden hätten Frauenkleider getragen und Baileys getrunken, ein Frauengetränk. Also seien sie schwul. Dabei hatten sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Unsere Verfassung steht über dem Strafgesetzbuch, und die sagt, alle Menschen seien an Rechten gleich. Trotzdem dürfen sich Homosexuelle nicht vor Aids schützen. Denn wenn man bei zwei Männern ein Kondom findet, werden sie verurteilt. Ein Verdacht – und sei er noch so absurd – genügt. Wenn Polizisten jemanden verdächtigen, rufen sie einen Arzt, und der prüft, ob man zwei Finger in den Anus des Verdächtigen einführen kann. Wenn ja, heißt es: Aha, du bist homosexuell.

Éric Lembembé, ein Aktivist wie Sie, wurde 2013 zu Tode gefoltert. Man hatte ihm zuvor mit Bügeleisen das Gesicht verbrannt. Wer hat das getan?

Wir wissen es nicht. Und ich fürchte, dass man die Täter nie finden wird. Die Polizei hat keine Spuren am Tatort gesichert. Sie hat sich nicht so verhalten, als wollte sie ein Verbrechen aufklären.

Wie schützen Sie sich gegen Todesdrohungen?

Mit privaten Firmen. Für mich sieht es aus, als wolle der Staat mich zum Schweigen bringen. Ich habe Todesdrohungen per SMS erhalten. Die Nummern der Absender sind registriert, die Polizei könnte sie leicht nachverfolgen. Ich habe zwar Anzeige erstattet, aber nie eine Antwort erhalten. Es ist schwierig, sich in einem Umfeld zu bewegen, in dem der Staat Homophobie unterstützt.

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