Kinder der Bibel
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Ist Gott kinderlieb?
Die Kinder in der Bibel sind selten zu beneiden: Oft bekommen sie drakonische Strafen und eine schwarze Pädagogik zu spüren. Dennoch: Auch ihnen gilt die Liebe Gottes
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
06.08.2013

Es ist eine der beliebtesten und bekanntesten Bibelgeschichten und sie wurde von Künstlern oft illustriert: Ein (bärtiger) Jesus zieht ein kleines Kind zu sich heran und führt es seinen Jüngern als Vorbild vor Augen. So wie dieses Kind, so solltet auch ihr sein! Das hatte einen guten Grund: Die Freunde Jesu hatten sich zuvor den Kopf heiß geredet darüber, wer im Jenseits der Größte denn wohl sein würde. Da konnte Jesus nur die vorbehaltlose Offenheit der Kleinen loben: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen." Später droht er sogar: Wer Kinder zum Unglauben verführt, soll im Meer ertränkt werden (Matthäusevangelium, Kapitel 18).

Portrait Eduard KoppLena Uphoff

Eduard Kopp

Eduard Kopp ist Diplom-Theologe und chrismon-Autor. Er studierte Politik und Theologie, durchlief die Journalistenausbildung des ifp, München, und kam über die freie Mitarbeit beim Südwestrundfunk zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" nach Hamburg. Viele Jahre war er leitender theologischer Redakteur bei dieser Wochenzeitung und seinem Nachfolgemedium, dem evangelischen Magazin chrismon. Seine besonderen Interessengebiete sind: Fragen der Religionsfreiheit, Alltagsethik, Islam, Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, Krieg und Frieden.

Eine rührende Geschichte – aber auch eine singuläre. Denn die Bibel geht meist viel ruppiger mit den Kindern um. Straßenkinder zum Beispiel mussten ihren Spott und ihre Häme teuer bezahlen. "Kahlkopf, komm herauf! Kahlkopf, komm herauf!", hatten sie einem Mann hinterhergerufen. Ein dummer Streich. Dumm für sie war allerdings, dass sie nicht wussten: Sie hatten es mit dem Propheten Elischa zu tun. Der kannte keinen Spaß und verfluchte die Kinder "im Namen des Herrn". Und schon kamen zwei Bären aus dem Wald und zerrissen gleich zweiundvierzig Kinder – der Prophet setzte einfach seinen Weg fort (2. Buch Könige, Kapitel 2).

Dass kindlicher Spott solche drakonische Strafe findet, und das ausgerechnet in der Bibel, gibt zu denken, selbst wenn man getrost in Frage stellen darf, dass diese Episode tatsächlich so passiert ist. Sanktionen wie diese gelten heute als Ausweis schwarzer Pädagogik. Aber es kommt in der Bibel noch drastischer: Gott bestraft die Sünden und den Unglauben der Eltern mit dem Tod ihrer Kinder. Es kommt vor, dass ein uneheliches Kind wie das von König David und Batseba schon eine Woche nach der Geburt stirbt (2. Buch Samuel, Kapitel 12). So werden Kinderleben mit der Moral und dem Glaubensgehorsam der Eltern verrechnet.

Bleibt den Kindern nur eine Rolle als Statisten?

Schaut man ins Neue Testament, so findet man auch dort genügend Anlässe, über das Schicksal von Kindern zu erschrecken. Der Kindermord in Bethlehem überschattet die Weihnachtsgeschichte. Oder: Väter, die ihre Familie verlassen, um Jesus zu folgen, werden von ihm enthusiastisch gelobt. Seinem Anhänger Petrus sagt er: "Jeder, der um meines Namens willen Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder verlassen hat, der wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen" (Matthäusevangelium, Kapitel 19). Einen Schutzraum können die Kinder der Bibel offensichtlich nicht beanspruchen, weder für ihr ungestörtes Heranwachsen noch für ihre Eigenwilligkeiten. Gott liebt die Kinder, wenn sie und ihre Eltern treu zu ihm halten. Es sind Geschichten, die Gottes Allmacht betonen.

Das widerspricht diametral den pädagogischen und religiösen Prinzipien von heute: Offen und geradeheraus sollen Kinder sein, emotional lebendig und willensstark. Solchen Haltungen zollen die biblischen Autoren wenig Anerkennung. Bleibt den Kindern nur eine Rolle als Statisten?

So könnte es aussehen, doch so ist es nicht. Zwar sind der Bibel die modernen Vorstellungen von Kinderrechten und Kinderwürde fremd, doch auch die Kinder der Bibel haben einen unverwechselbaren Platz in der Geschichte Gottes mit den Menschen: Mal sind sie Hoffnungsträger für das Gottesvolk – davon handeln die Geburts- und Erwählungsgeschichten wie die Errettung des Säuglings Mose aus dem Schilfkorb –, mal zeigt sich in Heilungs- oder Auferweckungsgeschichten, dass Gott sich intensiv um sie kümmert. Wenn der Prophet Elias den Sohn einer Witwe (1. Buch der Könige, Kapitel 17) oder Jesus den Jüngling von Nain (Lukasevangelium, Kapitel 7) zum Leben erweckt, zeigt das mehr als Respekt, nämlich Liebe und Fürsorge. Jesus geht sogar so weit, mit den Kindern über das störrische Verhalten der Großen zu sprechen.

Die Kindergeschichten der Bibel sind trotzdem keine pädagogischen Anleitungen oder psychologischen Fachtexte, sondern sie umrahmen die Kernaussage der Bibel: Alle Sorge Gottes richtet sich darauf, die Menschen auf den Weg des Heils zu lenken. Wie wichtig ihm dies ist, zeigt sich daran, dass er selbst Mensch (und also Kind) geworden ist. Auch wenn sich die Bibel schwer tut mit einer vorbehaltlosen Annahme kindlicher Eigenheiten, so sind Kinder doch ein wichtiger Teil des Volkes Gottes. Die Bibel nimmt die Kinder ernst – wenn auch anders, als es die Menschen heute tun.

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