Dirk von Nayhauß
"Ich muss noch mal mit meiner Frau telefonieren..."
Eine Politikerehe ist nicht einfach, sagt Martin Schulz. Doch für Gespräche mit seiner Frau nimmt er sich immer Zeit
Dirk von Nayhauß
20.12.2013

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich mit meiner Familie zusammen bin. Auch beim Lesen, dann tauche ich ab in die Welt, die dem Buch innewohnt. John Steinbecks „Jenseits von Eden “ habe ich immer wieder gelesen. Ähnlich wie in dem Roman beschrieben, bin ich das Kind einer großen Familie, in der es sehr spannungsreiche wie stark emo­tionale Beziehungen der Geschwister und der Eltern gab.

An welchen Gott glauben Sie?

Ich bin auf ein katholisches Gymnasium gegangen. Ich hatte eine sehr gläubige Mutter und einen religiös passiven Vater. Als Kind glaubte ich an Gott, doch der ist mir mit den Jahren ver­loren gegangen. Für mich sind wir Menschen das Resultat eines natürlichen Prozesses, mit unserem Tod hört unsere geistige Existenz auf. Es gibt eine Ausnahme, die für mich beweisen könnte, dass es doch einen Gott gibt: die Musik. Sie entsteht aus Materiellem, ist aber weder sichtbar noch greifbar. Aber sie existiert. Wenn es etwas Göttliches gibt, dann ist es für mich Musik.

Hat das Leben einen Sinn?

Ja, die Gaben und die Talente, die uns gegeben sind, zum Nutzen anderer einzusetzen. Mit den Überzeugungen, die wir im Laufe unseres Lebens entwickelt haben, und mit unseren Erfahrungen dazu beizutragen, dass der Respekt vor anderen Menschen die Grundlage unseres Zusammenlebens ist. Wir haben alle dasselbe Recht, auf dieser Erde zu leben.

Es gibt Dinge, die ich bis zu meinem letzten Atemzug bereuen werde

Muss man den Tod fürchten?

Ich fürchte den Tod, weil ich leben will – und ich bin ihm oft begegnet. Meine Eltern sind tot und auch meine Schwiegereltern. Freunde sind gestorben, durch Unfälle oder an schweren Krankheiten. Wenn es so weit ist, werde ich vermutlich nicht ohne Reue sterben. Es gibt Dinge, die ich bis zu meinem letzten Atemzug bereuen werde. Unrecht, das ich anderen Menschen angetan ­habe. Vielleicht auch Dinge, wo ich mir selbst Unrecht getan habe, indem ich in jungen Jahren einen völlig falschen Weg eingeschlagen hatte.Ich hatte in meinem Leben eine Phase, in der ich meiner Mutter viele schlaflose Nächte bereitet habe. Später habe ich das ausgleichen können, da ging sie vor Stolz durch keine Türe. Doch die Jahre davor kann ich nicht zurückdrehen.

Wer oder was hilft in der Krise?

Mir helfen meine Familie und meine Freunde. Es hilft mir, dass ich in meinem Umfeld ein Team habe, mit dem ich tagtäglich zusammenarbeite und dem ich vertraue. Es hilft mir, dass ich ­ mit der Literatur einen Bereich habe, in den ich abtauchen kann und der eine Perspektive aufzeigen kann, der weit über das tages­politische Klein-Klein hinausragt. Schließlich hilft mir die Begeisterung und die Disziplin, für das zu arbeiten, was mich umtreibt: das Zusammenwachsen unseres Kontinents, der in den vergangenen Jahrhunderten so viel Elend und Unglück ausgelöst und erlebt hat und der erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der europäischen Integration die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Das mag abgegriffen klingen, aber die Liebe meiner Kinder. Unsere Ehe ist eine Liebesbeziehung, und die ist in den fast 28 Jahren eher stärker als schwächer geworden. Die Erfahrungen, die man sammelt, treiben einen entweder auseinander, oder sie schmieden einen stärker zusammen. Meine Frau und ich haben versucht, unsere Herausforderungen gemeinsam anzupacken, und das ist uns gelungen, mit allen damit verbundenen Höhen und Tiefen. Eine Politikerehe ist nicht einfach, ich bin wenig zu Hause, aber wir telefonieren jeden Tag unzählige Male. Wenn Mitarbeiter bei mir neu anfangen, schütteln sie oft den Kopf, wenn ich sage: „Ich muss noch einmal mit meiner Frau telefonieren“ – und drei Minuten später noch einmal.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich möchte von den ungeheuren Wasserfällen im Norden Argentiniens bis zu den Bergen Patagoniens reisen. Ich glaube, dass es kein Land auf der Welt gibt, in dem der Gegensatz zwischen äquatorialen und polaren klimatischen Bedingungen so bizarr ist. Und ich möchte einmal in meinem Leben in Ruhe durch die vatikanischen Museen gehen und die Biblioteca Apostolica Vaticana sehen.

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