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Öffentlich oder privat?
Das Schulsystem in Chile zementiert die Trennung der sozialen Klassen. Auslandspfarrer Friedemann Bauschert berichtet.

„Ist das eine große Schule!“ Die Schüler aus dem Colegio Belén O’Higgins, einer Schule in einem Armenviertel Santiagos, kamen aus dem Staunen nicht heraus, als sie die private Deutsche Schule Santiago im reichen Stadtteil Vitacura betraten. Sie durften am Nationalfeiertag den chilenischen Nationaltanz, die Cueca, vorführen.

Obwohl beide Schulen nur 20 Kilometer voneinander entfernt sind, trennen sie Welten: Die Schule Belén ist ein soziales Projekt, der Besuch umsonst, die Deutsche Schule kostet 500 Euro im Monat, ein übliches Schulgeld in Chile. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von 800 Euro können sich die meisten Chilenen den Besuch einer solchen Privatschule nicht leisten. Als Pastor der evangelisch-lutherischen Versöhnungs­gemeinde, Trägerin der Belén O’Hig­gins, bin ich Arbeitgeber und Pastor in der einen Schule und unterrichte in der anderen Religion.

Zweimal im Jahr besuchen Schüler der Deutschen Schule die Belén O’Higgins, ­bringen gestrickte Decken und Weihnachtsgeschenke. Nette Gesten, die allerdings am bestehenden System nichts ändern. Die sozialen Klassen bleiben unter sich, ein  Erbe der Pinochet-Diktatur. Der Wirtschaftsliberalismus und der Privatisierungswahn jener Zeit breiteten sich über das ganze gesellschaftliche Leben aus.

Seit 2011 protes­tieren Schüler und Studenten gegen dieses System und erlangten weltweite Aufmerksamkeit. Die konservative Piñera-Regierung möchte künftig mehr in Bildung investieren, ist aber zu einem echten Systemwechsel nicht bereit, zu einem bezahlbaren und qualitativ hochwertigen, öffentlichen Schulsys­tem für alle. So entscheidet das Einkommen der Eltern über die Ausbildung und den Arbeitsplatz. Aus Schulen wie Bélen O’Higgins schafft es kaum einer auf eine gute Univer­sität. Aber als Gemeinde arbeiten wir daran, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

 

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