Michael Trippel/laif/Michael Trippel/laif
Darf die Urne der Tante aufs eigene Klavier?
Als erstes Bundesland will Bremen den Friedhofszwang lockern. Angehörigen soll künftig erlaubt sein, bis zu zwei Jahre die Asche ihrer Verstorbenen zu Hause aufzubewahren.
Gabriele MeisterLisa Strieder
17.10.2013

chrismon: Bischof Meister, wie finden Sie Bremens Vorstoß?

Ralf Meister: Problematisch. Sicher muss sich die Bestattungskultur verändern können. Im 20. Jahrhundert kamen Krematorien auf, anonyme Bestattungen, Friedwälder und islamische Erdbestattungen ohne Sarg. Über den aktuellen Trend zur hoch ­individualistischen Trauerkultur wünsche ich mir aber eine gesamtgesellschaftliche Debatte, in die die Kirchen theologische Deutungen eintragen.

„Hoch individualistisch“?

Ja, die Bremer Regelung löst in der Konsequenz vermutlich die Friedhofskultur auf. Mit ihren geprägten Formen der Erinnerung an die Toten sind Friedhöfe Hilfe zum Leben und dienen dem Gemeinwesen. Sie sind seelische Naherholungsgebiete, die nicht leichtfertig ersetzt werden können. Nun aber soll der Einzelne entscheiden, die anderen sollen keine Probleme damit haben. Ähnlich wird in der Debatte um Sterbehilfe argumentiert. Ich wünsche uns mehr Reflexion darüber, wie wir unser Hinausgehen aus dem Leben gestalten. 

Aus der Bibel lässt sich kein Friedhofszwang ableiten.

Nein. Wohl aber, dass man Tote zu Toten legte. Und dass die Toten nach christlicher Tradition auf­erstehen. Der Glaube prägt unseren Umgang mit den Verstorbenen, deren Würde es über den Tod hinaus zu achten gilt. Wenn Politiker heute handeln, als sei es egal, was mit den Toten passiert, dann zeigt das, wie wenig dieser Glaube noch präsent ist.

Was sagen Sie als Seelsorger, wenn jemand die Urne der ­Tante aufs Klavier stellen will?

Immer weniger Menschen können etwas mit der Vorstellung vom ewigen Leben anfangen. Die Kirche muss neue Bilder entwickeln, um sie plausibel zu machen. Als Seelsorger würde ich zuerst fragen: Was steckt hinter deinem Wunsch, dass deine Urne später im Regal stehen soll?

Was wünschen Sie für die Bestattungskultur der Zukunft?

Dass wir trotz unterschiedlicher Bestattungsformen gemeinsa­me Gedenkräume haben und sie sorgsam als kulturelle Orte ­pflegen. Zudem hoffe ich, dass noch mehr Ehrenamtliche sich für die Bestattung der Illegalen und Namenlosen engagieren. Niemand darf namenlos unter die Erde kommen.

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