Stört das Fotografieren in der Kirche die religiöse Andacht?
Viele Menschen möchten „ihre“ Gottesdienste zur Trauung, zur Taufe oder zur Konfirmation der Kinder im Bild oder Film festhalten
05.08.2013

Das Vorgespräch zur Trauung ist fast zu Ende. Pfarrer und Brautpaar sind zufrieden. Da sagt der Bräutigam: „Wir haben einen Fotografen bestellt, der den ganzen Gottesdienst fotografiert. Sie haben doch nichts dagegen, oder?“ Der Pfarrer zuckt zusammen: „Das habe ich eigentlich nicht so gerne – schon gar nicht vorn im Altarraum.“ Das Paar ist aufgebracht: „Was? Warum denn das nicht?“ Ein Wort gibt das andere, schließlich sagt die Braut erbost: „Wir suchen uns eine andere Kirche!“

Der Wunsch, während des Gottesdienstes aus nächster Nähe zu fotografieren, sorgt immer wieder für Debatten und Misstöne im Gemeindealltag. Viele Menschen möchten „ihre“ Gottesdienste zur Trauung, zur Taufe oder zur Konfirmation der Kinder im Bild oder Film festhalten, um sich später besser daran zu erinnern. Andererseits fürchten Pfarrerinnen und Pfarrer, dass die Andacht der Gemeinde und die Konzentration auf Gebet, Predigt und Bibelwort gestört werden, wenn es klickt und blitzt.

Mit dem Bildermachen gab es schon Ärger, lange bevor die Fotografie erfunden wurde. Das zweite Gebot, das Mose, der Führer der Israeliten, einst auf dem Berg Sinai von Gott empfing, lautet: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist“ (2. Mose, Kapitel 20, Vers 4). Dieses biblische „Bilderverbot“ bezog sich zunächst auf Verehrung anderer Götter, die oft in Kultbildern gezeigt wurden. So wird es in der berühmten Geschichte vom Goldenen Kalb erzählt: Als Mose auf dem Sinai war, um Gottes Gebote entgegenzunehmen, trug das Volk Israel all seinen goldenen Schmuck zusammen, machte daraus eine Tierstatue und sang: „Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat“ (2. Mose, Kapitel 32, Vers 4). Dieser „Tanz ums Goldene Kalb“ wurde sprichwörtlich. Er steht bis heute für die Verehrung eines von Menschen gemachten Götzen anstelle des biblischen Gottes – und im übertragenen Sinne für die Fixierung auf Äußerliches auf Kosten religiöser Hingabe und Versenkung.

In einem Gottesdienst geht es um das intuitive, direkte, religiöse Erlebnis im Rahmen einer Gemeinde

Zugegebenermaßen geht es beim Fotografieren im Gottesdienst um den verständlichen Wunsch der Angehörigen, einen religiösen Moment festzuhalten, der von Bedeutung für das weitere Leben ist. Bei Taufen, Trauungen und Konfirmationen gibt es schließlich eine ganze Menge zu sehen. Es sind bewusste Akte des Sichtbar-Machens. Gesten wie das Niederknien, das Segnen oder das Händefalten sind ja gerade Zeichen, deren Sinn sich nur durch das Sehen erschließt. Aber genau da liegt der Unterschied zwischen Realität und Fotografie: In einem Gottesdienst geht es um das intuitive, direkte, religiöse Erlebnis im Rahmen einer Gemeinde.

Die Vorbehalte vieler Pastoren gegen das Fotografieren rühren daher, dass das Entscheidende nicht auf das Bild gebannt werden kann. Gottesdienste und vor allem Amtshandlungen bekommen ihren Sinn nur durch das innere Geschehen in der versammelten Gemeinde. Dieses innere Geschehen im Gottesdienst hat Vorrang vor seiner Dokumentation. Deshalb erscheint es bedenklich, der sichtbaren „Außenseite“ eines Gottesdienstes eine dominierende Rolle einzuräumen.

Zwar gibt es für die evangelische Kirche, anders als für die katholische, keine „heiligen Räume“, keine geweihten Zonen, in denen das Fotografieren deshalb grundsätzlich in Frage steht. Für Protestanten ist die unmittelbare Beziehung des Einzelnen zu Gott entscheidend. Ein Kirchenraum dient dieser Gottesbegegnung, aber er ist kein notwendiges und deshalb besonders geschütztes Verbindungsglied zwischen Gott und Mensch. Doch allgemein gilt für beide Konfessionen das Wort des kleinen Prinzen aus Antoine de Saint-Exupérys Buch: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar!“

Viele Kirchengemeinden bitten deshalb darum, während des Gottesdienstes aufs Fotografieren zu verzichten. So rät zum Beispiel eine bayerische Kirchengemeinde auf ihrer Website: „Versuchen Sie, so viel wie möglich auf Ihrem ‚geistigen Film‘ festzuhalten.“ Auch ein praktischer Tipp macht die Runde: Man kann einige Rituale in aller Ruhe nach dem Gottesdienst nachstellen. Die meisten Pfarrer sind dazu bereit. Das hat zwei Vorteile: Es stört nicht den Gottesdienst, und die Bilder werden meistens viel besser.

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