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Standleitung zu Gott
Dirk von Nayhauß
18.07.2013

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich mit meiner Frau und ihrem fünfjährigen Sohn zu­sammen bin, ist es am schönsten. Und beim Schauspielen. Nach 22 Jahren ist das Spielen zu einer Heimat geworden. Es gehört auch zum Leben, dass große Probleme auf einen zukommen, wie die Krankheiten von Familienangehörigen. Natürlich sagst du dann nicht: „Grüß dich, Riesenproblem, ich habe schon auf dich gewartet, wir haben noch Platz auf dem Sofa.“ Aber es ist Lebendigkeit, sich dem zu stellen. So zu denken habe ich auch gelernt, als ich selber mit Krankheiten konfrontiert wurde.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Anarchie, Strukturen hinterfragen, Spielfreude, das Leben intensiv runterrocken. Der Sohn meiner Frau schiebt nichts auf die lange Bank. Dadurch ist das Leben voller Bewegung. Wir leben im Kapitalismus, in einem System des Taktierens. Der Kleine aber taktiert nicht, und ich versuche, es ihm nachzutun. Natürlich mache ich auf dem Film- und Fernsehmarkt mit, aber trotzdem versuche ich immer wieder einfach „Nö“ zu sagen. So stoße ich vielleicht den einen oder anderen vor den Kopf, aber ich war ­wenigstens ehrlich.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Als ich selbst mal erkrankte, habe ich gemerkt, dass Gott irgend etwas meint, dass es in mir diesen Drang zu etwas nicht Greifbarem gibt. Ich habe sozusagen die Standleitung zu Gott gespürt. Manchmal hast du auch Ahnungen. Ich hatte mal einen Unfall, ganz neues Auto. Der Witz war, dass wir keine Stunde vorher genau darüber gesprochen haben: Was, wenn bei 150 Stundenkilometern ein Reifen platzt? Wir kamen zu dem Ergebnis: auf keinen Fall bremsen. Dann ist es passiert, ich saß am Steuer. Ich habe getan, was wir uns vorher überlegt hatten – und bin langsam auf der Standspur ausgerollt. Die anderen haben gelacht, aber ich hatte einen Schock. Da denkst du: Okay, dieses System Gott existiert. Später haben wir uns gefragt, warum wir gerade über dieses Thema gesprochen haben. Ich hätte eigentlich gebremst.

Muss man den Tod fürchten?

Ich hatte nie Angst vor dem Tod. Vielleicht liegt es daran, dass ich seit meiner frühen Teeniezeit diese Metalpunk- und Soultexte höre, wo es oft ums Ende geht, wie in „Death Is Not the End“ von Nick Cave. Dadurch ist mir der Tod irgendwie vertraut. Ich habe schon einige wichtige Menschen verloren, zum Teil über­raschend, zum Teil mit langem Abschied. Den anderen loszulassen ist ­grauenvoll. Mein Vater hat sich zehn Sekunden genommen, dann war er weg. Das zu begreifen, das braucht sehr lange. Wäre es für mich heute vorbei, wäre ich insgesamt ziemlich entspannt. Ich bin vermutlich so gelassen, weil ich mir nicht vornehme, irgend etwas perfekt hinzubekommen. Ich will einfach abends ins Bett gehen und sagen können: War wieder ein super Tag!

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die Liebe zu meiner Frau, zu meiner Mutter, zu meinen Geschwis­tern. Vor allem die meiner Frau, das ist ein Ort der totalen Ruhe. Wie ein Vogelnest: warm und mollig. Es ist nicht so, dass wir uns immer nur in den Armen liegen, nein, es kracht auch mal. Aber mit ihr erlebe ich eine Nähe, die ich vorher nicht für möglich gehalten habe. Mit meiner Mutter ist es auch schön. Das sage ich heute, mit 30 hätte ich das nicht so sagen können. Wir haben uns richtig aneinander abgearbeitet. Sie ist eine Mecklenburger Bauerntochter, die direkt nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, sie hat ganz andere Erziehungs- und Verhaltensstrukturen als wir. Das muss man akzeptieren.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ein ganzes Jahr einfach abhängen. Wir sind in dieser Leistungsgesellschaft in einer Taktung, durch die man sich immer ein bisschen überbeansprucht. Ich würde gerne das Gegenteil probieren: mich überbeanspruchen im Nichtstun. Früher konnte ich das gar nicht, da habe ich jeden freien Tag gehasst. Selbst wenn ich keine Proben hatte, bin ich ins Theater und habe den anderen zugeguckt, weil ich nichts mit mir anzufangen wusste.

Wer oder was hilft in der Krise?

Wenn ich keinen Ansprechpartner habe: mein Tagebuch. Ich schreibe etwas, lese es und denke: Aha, diese Struktur steckt ­hinter dem Problem. Das ist wie ein Selbstgespräch – so komme ich auf Lösungswege.

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