Gabriel Verlag, Rike Janßen
Durchs Meer, ohne nass zu werden!
Die Journalistin Annette Göder hat neue Kinderbibeln angeschaut. Diese sieben kann sie empfehlen
15.05.2013

Woran erkennt man eine gute Kinderbibel? Am Text oder an den Bildern? An den Illustrationen sehen der Patenonkel oder die Großmutter auf jeden Fall sofort, ob sie dieses Buch verschenken wollen. Bilder sind Geschmacksache, und vor allem Bilder machen die Bibel zur Kinderbibel.

Schon Martin Luther hatte 1529 eine Bibel „für kinder und einfeltige“ geschrieben, illustriert mit Holzschnitten, die an Dürer erinnerten. Sein „Kleiner Katechismus“, wenig später erschienen, galt bis ins 18. Jahrhundert als Kinderbibel. Er hat seither jede Menge gedruckte Unterstützung bekommen: Allein seit dem Jahr 2000 sind rund 200 Kinderbibeln erschienen – für jedes Alter, für jeden Bildungsstand, jeden Geschmack.

So viele, da fällt die Auswahl schwer. Soll Oma für die Enkel eine Ausgabe wählen, die möglichst so aussieht wie die, die sie früher selber hatte? Ist die teuerste die beste? Setzt man auf das pädagogisch wertvolle Konzept oder doch lieber auf das unterhaltsame? Die Buchhändlerin hilft sicher weiter, hier ist schon mal eine Auswahl.

 

Für Kinder mit Humor

Drei Schweißtropfen hängen an Kains Gesicht. Die Mundwinkel sind tief heruntergezogen, die Hände an die Wangen gepresst. Mit wenigen Federstrichen ist der Typus des Ängstlichen gezeichnet: Kain hat seinen Bruder getötet, nun fürchtet er sich. Er hört Gottes anklagende Stimme.

In 26 comicartig illustrierten Geschichten stellt die „Kinderlesebibel“ Personen des Alten und Neuen Testaments vor. Manchmal sind die Zeichnungen witzig – wenn die Israeliten ums Goldene Kalb tanzen wie in Trance oder vor Begeisterung fast umfallen, wirkt das ganz schön lächerlich. Die Kinderbibel erinnert in Format und Aufmachung an andere Reihen für Erst­leser: einfache Erzählweise, übersichtlicher Text­umfang, großer Zeilenabstand.

Michael Landgraf (Text), Susanne Göhlich (Illustration): Kinderlesebibel
Vandenhoeck & Ruprecht. Empfohlenes Alter: 6–8 Jahre, 12,95 €

 

Für Lese-Anfänger

Wie ein Erstlesebuch ist auch „Meine erste Lesebibel“ gestaltet – mit 39 kurzen Erzählungen aus Altem und Neuem Testament. Der Text ist in größeren Buchstaben gesetzt, die Illustrationen sind großflächig und bunt, sie wirken dynamisch, aber nicht unruhig. Als Jesus den Fischern hilft, springen aus seinem vollen Netz noch ein paar kleine Fische. Der Prophet Daniel hat die Nacht in der Löwengrube verbracht, jetzt streckt er seine Hand nach dem Seil aus, das Retter von oben in die Grube baumeln lassen. Eine Antilope verlässt die Arche Noah und setzt zu einem gewaltigen Sprung an – als freue sie sich über ihre neue Freiheit.

Charmante Details wecken die Entdeckerfreude: Ein leuchtend gelber Schmetterling hockt auf Noahs Nase. Ein anderes Mal steckt ein Fisch seinen Kopf aus dem Nil und staunt mit offenem Maul, während der kleine Mose im Körbchen mit weit aufgerissenem Mund lauthals brüllt.

Angelika Rühle (Text), Rainer E. Rühl (Illustration): Meine erste Lesebibel
SCM Hänssler. Empfohlenes Alter: 6–8 Jahre, 9,95 €

Für junge Forscher

„Jericho: Eine der ältesten Städte der Welt. Sie liegt in einer Oase inmitten der Wüs­te und wird daher auch ‚Palmenstadt‘ genannt. Aufgrund ihrer Lage zwischen dem Ost- und Westjordanland hatte Jericho im Altertum eine wichtige strategische Be­deutung.“ So erklärt „Die Bibel elementar“ in einer Randspalte, was an Jericho so besonders ist.

Erzählt wird die biblische Version der Eroberung Jerichos. Ein Foto belegt, wie dick die Stadtmauern einst waren: Die massiven Reste des Wachturms sollen ungefähr 9800 Jahre alt sein. Stück für Stück konstruiert das Buch ein Bild vom biblischen Land und seiner Geschichte. Fotos, Illustrationen und Abbildungen von frühchristlichen Kunstwerken sorgen für Abwechslung. Die biblischen Geschichten selbst sind nah am ursprünglichen Text entlang erzählt und gut lesbar.

Ungefähr ein Viertel aller Seiten vermittelt Hintergrund zum biblischen Stoff, mit Themen wie „Totenklage und Bestattung in Israel“ oder „Der Tempel in Jerusalem“.Auch die Gottesbilder der Bibel, Engelsvorstellungen und jüdische Gruppen zur Zeit Jesu werden erläutert. Die Themenseiten sind farbig abgesetzt. Wem sie zu viel werden, der kann sie problemlos überblättern.

Format und Titel lassen die Bibel wie ein Schulbuch aussehen. Tatsächlich eignet sie sich auch für Schule, Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht.

Michael Landgraf: Die Bibel elementar
Calwer Verlag. Empfohlenes Alter: ab 10 Jahren, 22,95 €

 

Mit Sprechblasen

„Tohuwabohu“, schimpft Eva, als sie das Zelt ihrer Kinder Kain und Abel inspiziert. Was ein Tohuwabohu sei, fragt Kain. Also erzählt Eva von der Schöpfung, da war die Erde vorher „wüst und leer“ (Hebräisch: tohuwabohu). Kain und Abel unterbrechen sie mit Fragen und Ausrufen. Ein Dialog entsteht – und damit das erste Kapitel der „Schatzbibel“ vom Liedermacher, Entertainer und Theologen Daniel Kallauch. In jedem der 24 Kapitel kommen auf die Weise biblische Figuren zu Wort.

Eva: „Am nächsten Tag, mein Großer, da schuf Gott alles, was kreucht und fleucht.“ Kain fragt nach: „Kreuchen und Fleuchen – was ist das denn schon wieder, Mama?“ Autor Daniel Kallauch versucht Fragen und Einwände seiner Leser vorwegzunehmen. Als Eva von den verbotenen Früchten im Garten Eden erzählt, fragt der ältere Sohn fassungslos: „Und ihr habt es doch gemacht? . . . Aber warum?“

Jeder Geschichte folgt ein kurzer Wortwechsel in Sprechblasen. Da unterhalten sich der Vogel Willibald aus dem Kinderfernsehen und Autor Kallauch. „Nicht zu fassen, diese Schlange“, sagt der Spaßvogel zu der Geschichte im Garten Eden. „Zuerst lullt sie einen ein, und dann lügt sie auch noch!“ Daniel Kallauch antwortet: „Ja, ­Willibald, da heißt es aufpassen. Adam und Eva entschieden sich damals, der Schlange mehr Glauben zu schenken als Gott . . . Wenn du und ich den Versprechen Gottes vertrauen, dann ist das nur gut für uns. Und für alle Menschen um uns herum. Sogar für die Tiere.“

Die Illustrationen passen zum Text: peppig und humorvoll. Besonders ge­lungen sind Figuren, die auf das Jenseits verweisen: Die Taube des Heiligen Geistes und die Engel sind schemenhaft ange­deutet, kein Kitsch.

Daniel Kallauch (Text), Victor Geist (Illustration):
Die Schatzbibel SCM R. Brockhaus. Empfohlenes Alter: 8–10 Jahre, 17,95 €


Mit Gefühl

„Ich fände ein kleines Ritual gut: jeden Abend eine Geschichte und dann ein kurzes Gespräch über das Gelesene“, regt Margot Käßmann an. In der „Bibel für Kinder von Margot Käßmann“ erzählt sie hundert biblische Geschichten nach. Sie nimmt Anleihen beim Text der englischen „The Children’s Bible“, schreibt abwechslungsreich und mit vielen Adjektiven und Adverbien: „Ja, die Schöpfung war groß­artig, gut und schön . . . Vögel trällerten fröhliche Lieder. Bienen summten und Schmetterlinge flatterten munter umher.“

Käßmann erläutert, was Kinder befremdlich finden könnten. Warum Kain und Abel ihre Erträge als Opfer bringen: „Die beiden wollten Gott für die gute ­Ernte und das gesunde Vieh danken. Deshalb verbrannten sie Tiere auf einem Altar . . . So wurden damals Dankopfer gefeiert.“

Und sie bemüht sich um Wärme und eine gute Stimmung. Endet die biblische Garten-Eden-Erzählung mit Adams und Evas Vertreibung aus dem Paradies, ergänzt Käßmann: „Doch sie spürten, dass Gott sie immer noch liebte und sie be­gleiten würde in ihrem neuen Leben.“ 

Die lebhaften, pastellfarbenen Bilder ähneln der Kunst des Jugendstils und wirken etwas stilisiert. Mag sein, dass die Gesichter mit den kantigen Nasen nicht alle Kinder ansprechen.

Margot Käßmann (Text), Carla Manea (Illustration): Die Bibel für Kinder erzählt von Margot Käßmann
Herder Verlag. Empfohlenes Alter: 5–8 Jahre, 14,95 €

 

Mit Kunst und Kultur

Suzanne Lier hat sich eine „Reise durch das Alte Testament“ vorgenommen. Im ers­ten Band geht es nur um die fünf Bücher Mose, weitere Bände sollen folgen. „Wir können das Neue Testament nicht verstehen, wenn wir das Alte nicht kennen“, schreibt sie im Vorwort: „Das Neue wurzelt im Alten.“ Außerdem schätzt die Autorin die alttestamentlichen „tiefen Erzählungen über die Suche der Menschen nach Gott“.

Auf jeder Doppelseite kombiniert Lier einen Bibeltext, die Abbildung eines klassischen Kunstwerks und eine Bilderläuterung für lesekundige Kinder. Zur biblischen Erzählung vom Garten Eden stellt sie Lucas Cranachs Gemälde „Adam und Eva“. Ein Mosaik aus der Vorhalle des ­Markusdoms in Venedig von 1220 illustriert, wie Noah sich nach der Sintflut mit Wein betrinkt. 

Theologie, Kunst und Kinder seien ihre Leidenschaft, sagt Suzanne Lier. Das merkt man ihrem Buch auch an. Wie nebenbei sollen die jugendlichen Leser einen Zugang zur Kunst verschiedener Epochen erhalten. Manche Erklärungen von Fachbegriffen bleibt die Autorin allerdings schuldig: Was ist ein „Mosaik“, was ein „Fresko“, was sind „Proportionen“?

Die „Reise durch das Alte Testament“ bietet theologisches Hintergrundwissen – auch Erwachsene werden es gern lesen.

Suzanne Lier: Reise durch das Alte Testament. Die fünf Bücher des Mose. Ein Lesebuch ­für die Familie mit Bildern der Kunst.

Verlag ­Bibel und Kunst. Empfohlenes Alter: „zum Vorlesen für Kinder ab 5, zum Selberlesen für Kinder ab 8 und zum Schmökern für Erwachsene“, 29,90 €

 

Lesen und schauen

„Stell dir vor, es ist Nacht, stockfinstere Nacht. Man sieht nichts, überhaupt nichts.“ Wie Margot Käßmann beginnt auch Martin Polster seine „Große Gabriel Kinder­bibel“ mit einer direkten Anrede. Bei Käßmann lautet der erste Satz: „Kannst du dir vorstellen, dass am Anfang nichts war? Gar nichts – einfach nichts!“

Polsters Bibel ist ein Querformat, das schafft Platz für großzügige Panoramaansichten. Eine Szene zeigt auf der linken Buchseite, wie drei Männer unter der Aufsicht eines ägyptischen Aufpassers schwere Lasten tragen. Der Arm des vorderen Mannes ragt in die rechte Buchseite hinein, zum Mauerwerk. Auf dem Hintergrund der Mauer steht der Text. Das Panoramabild macht deutlich, wie groß die Baustelle ist – und die Plackerei der Arbeiter.

150 biblische Geschichten werden auf die Weise erzählt, pro Seite oder Doppelseite eine. Das Buch ist klar und übersichtlich gegliedert. Die Bilder sind einfach und kindgerecht.

Der einzige Minuspunkt: die oft sehr kurzen Hauptsätze. Manchmal liest man im Stakkato-Ton vor. Die Geschichte von Jesaja und dem Weinberg beginnt Polster so: „Es ist Herbst. Der Wein ist geerntet. Die Leute freuen sich und feiern. Auch ­Jesaja kommt zu der Feier. Er bringt seine Gitarre mit.“ Nein, Kindern kann man viel mehr zutrauen – und auch etwas mehr ­Abwechslung zubilligen.

Martin Polster (Text), Rike Janßen (Illustration): Die große Gabriel Kinderbibel

Gabriel Verlag. Empfohlenes Alter: 5–7 Jahre, 19,95 €, ein Euro pro Buch geht an das christliche Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“.

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