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Was kommt auf Benedikt XVI. nach seinem Amtsverzicht zu?
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
26.02.2013

Es war ein Schritt, den man sich größer nicht vorstellen kann. Papst Benedikt XVI. zog sich am 28. Februar 2013 von seinem Amt zurück. Um 17 Uhr verließ er in einem Helikopter den Vatikan Richtung Castel Gandolfo, um 20 Uhr war er nicht mehr Papst. Aus dem weltweit geachteten Pontifex wird ein schweigender Beter, aus dem absoluten Monarchen ein Privatgelehrter. Benedikts Amtsverzicht ist glaubhaft, frei von jeder doppelbödigen Strategie, jeder zweifelhaften Berechnung. Gründe für den Rücktritt hat er mehr als genug – sein Alter, seine Ermüdung über die moralischen Verfehlungen des Klerus, die Machtränke im Vatikan. Aber strategische Ziele verfolgt er damit nicht - oder allenfalls dieses eine: der Kirche einen Neustart zu ermöglichen. Und dieses Ziel ist lauter.

Große Symbole begleiten Benedikts Rückzug: Er wird den „Fischerring“ abstreifen, Symbol seiner päpstlichen Macht und seines Amt als Nachfolger des Apostels Petrus, des „Menschenfischers“. Das päpstliche Siegel wird zerbrochen. Für die Kurienkardinäle, also die vatikanischen Funktionsträger, die von Benedikt XVI. ernannt worden waren und ihm zur Treue verpflichtet waren, beginnen Wochen der Unsicherheit. Ob sie in ihre Aufgaben zurückkehren dürfen, steht in den Sternen. Aber das entscheidet der neue Papst.

Für einen Wissenschaftler eine traumhafte Situation

Für Joseph Ratzinger, sein offizieller Titel ist "emeritierter Papst", beginnt eine lange ersehnte Zeit der Ruhe, zunächst in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo südlich von Rom, dann im frisch renovierten Frauenkloster Mater Ecclesiae auf dem Gelände des Vatikan. Entschlossen wird er sich der Öffentlichkeit entziehen. Aber geht das überhaupt, sich unsichtbar zu machen? In der katholischen Kirche ist es üblich, dass sich Bischöfe mit 75 Jahren oder etwas später zurückziehen (manche wie der schottische Kardinal Kieth O'Brien, der vor längerer Zeit junge Geistliche sexuell belästigt hatte, auch früher). Viele von ihnen ziehen danach in ein Kloster oder in eine andere kirchliche Einrichtung, wo sie noch als Seelsorger wirken können. Der Weg ins Kloster ist fast schon der Normalfall. Aber geht das auch als Papst?

Für jemanden, der die Wissenschaft so schätzt wie Joseph Ratzinger, ist es eine traumhafte Situation: forschen zu können, schreiben, ungestört die Bibliotheken und Archive des Vatikan zu nutzen, sich Wissenschaftler zu Fachgesprächen einzuladen und mit ihnen durch die vatikanischen Gärten zu spazieren, Klavier zu spielen, Musik zu hören, sich bei alldem von den Schwestern der Laienvereinigung "Memores Domini" umsorgen zu lassen. Das, was Joseph Ratzinger an wissenschaftlichen Texten schreibt, wird allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nach seinem Tod veröffentlicht werden. Zu groß wäre sonst die Gefahr, dass seine Veröffentlichungen als Kommentare auf die aktuelle Lage der Kirche verstanden würden.

Die Paparazzi liegen bereits auf der Lauer

Selbst wenn sich Benedikt radikal zurücknimmt, wird das Interesse der Öffentlichkeit an seiner Person extrem groß bleiben. Denn einen Papst ohne Amt hat man noch nie gesehen. Er wird es mit Paparazzi zu tun bekommen. Die hoffen auf eine Homestory allerdings vergebens. Ratzinger wird und kann sich – zumindest für eine beträchtliche Übergangszeit – nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Fraglich ist auch, ob er in nächster Zeit Reisen macht, sehr unwahrscheinlich eine Reise in seine bayerische Heimat. Zwar wird er mit Einladungen überhäuft werden, wahrscheinlich liegen schon jetzt hunderte auf seinem Schreibtisch, doch daraus wird nicht viel werden.

Kann er, was er immer gern getan hat, Vorlesungen halten? Nein. Einkehrtage in Klöstern abhalten? Schon eher. Gottesdienste im Vatikan? Nur ohne Öffentlichkeit. Vollkommen ausgeschlossen ist, dass er diplomatische Missionen für den Vatikan übernimmt. Solche Auftritte sind schon deshalb undenkbar, weil das für Politik zuständige Staatssekretariat oft als Gegenspielerin zu dem auf Seelsorge und Mission ausgerichteten Papst in Erscheinung trat. Aus dem  Staatssekretariat schlug Benedikt in den vergangenen Jahren immer mehr Misstrauen entgegen.

Wer in Zukunft alles Benedikts Rat suchen wird, offen oder diskret, aus wirklichem Interesse oder aus Freundlichkeit, das lässt sich nicht voraussehen. Aber eines ist sicher: Sie werden auf einen aufgeschlossenen und gastfreundlichen Geistlichen stoßen, von dem sie lernen können, dass Statusfragen nicht das Wichtigste sind im Leben.

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