Die "Symbolkirche für Versöhnung"
Die Potsdamer Garnisonkirche - ein Ort für Frieden und Versöhnung. Sieben Fragen und Antworten zur Geschichte und zum ambitionierten Wiederaufbau der Kirche
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
06.01.2012

1. Warum soll die Potsdamer Garnisonkirche wiederaufgebaut werden?

Für den Berliner Altbischof Wolfgang Huber ist die Potsdamer Garnisonkirche die „schönste barocke Kirche aus der Zeit Preußens“. Wie keine andere verbindet sie sich mit der Widersprüchlichkeit der deutschen Geschichte. Der Wiederaufbau, so Huber, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, kann zu einer geistigen Auseinandersetzung mit den Wurzeln der deutschen Identität beitragen und dadurch für die Zukunft von großer Bedeutung sein.

Die Garnisonkirche soll zu einer offenen Stadtkirche und zur "Symbolkirche für Versöhnung" werden. Im Oktober 2009 sagte Huber, mit dem Wiederaufbau des einstigen Potsdamer Wahrzeichens solle eine Schule des Gewissens entstehen: „Vor Gott und den Menschen wollen wir fragen, worin gesellschaftliche Verantwortung heute besteht.“ Es gehe darum, Menschen zu ermutigen, aus Gottes Frieden zu leben und für gerechten Frieden zu sorgen.


2. Welche historische Bedeutung hat die Potsdamer Garnisonkirche?

Die Garnisonkirche ist eine bedeutende Barockkirche, die für die Stadt Potsdam auch städtebaulich ein wichtiger Fixpunkt ist. Im Jahr 1732 wurde sie als preußische Militärkirche eingeweiht.

Ihre Geschichte ist einerseits auf ungute Weise mit der Einberufung des NS-Reichstags am 21. März 1933 verbunden, zugleich aber auch mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Garnisonkirche wurde 1933 von den Nationalsozialisten zum Staatsakt vor der anshließenden Parlamentseröffnung in der Krolloper genutzt - die nach Konfessionen getrenten Gottesdienste für die Abgeordneten hatten vorher in anderen Kirchen stattgefunden: in der evangelischen Nikolaikirche und in der katholischen Stadtpfarrkirche. Ein Foto von diesem "Tag von Potsdam" setzten die Nationalsozialisten zu Propagandazwecken ein: Reichskanzler Adolf Hitler traf vor der Garnisonkirche auf Reichspräsident Paul von Hindenburg. Dabei verbeugte sich Hitler – ganz gegen seine Gewohnheit in ziviler Kleidung, sein einziger Auftritt in Cut und Zylinder – tief vor dem Reichspräsidenten. Anschließend gaben sie sich die Hand. Die Geste Hitlers sollte öffentlich den Eindruck vermitteln, dass er ein pflichtbewusster Diener seines Staates sei. Zahlreiche kommunistische und sozialdemokratische Abgeordnete waren zu dieser Zeit allerdiings bereits verhaftet oder auf der Flucht.

Die Gernisonkirche ist aber nicht nur ein Symbol des preußischen Militärwesens und der Zusammenarbeit von konservativen Eliten und Nationalsozialisten. Der Gemeinde der Garnisonkirche gehörten auch Soldaten des 9. Infanterie-Regiments der Wehrmacht an. Aus dem Regiment stammten einige der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, darunter Henning von Tresckow (1901-1944) und Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg (1902-1944).

1945 wurde die Kirche bei einem alliierten Luftangriff auf den Potsdamer Hauptbahnhof zerstört. Die Ruine war am 23. Juni 1968 auf Beschluss der DDR-Führung gesprengt worden. Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) nannte den Abriss der Kirchenruine einen Willkürakt und ein Verbrechen. Der frühere Berlin-brandenburgische Bischof Wolfgang Huber bezeichnete die Sprengung wiederholt als einen „Akt der Barbarei“.

 

3. Wie lange wird der Wiederaufbau dauern und was sind die nächsten Schritte?

Bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 soll nach derzeitiger Planung zunächst der Turm der 1945 bei einem alliierten Luftangriff zerstörten Kirche wieder errichtet werden. Der Grundstein für den Wiederaufbau war bereits 2005 gelegt worden. Zunächst soll der Turm neu entstehen, in dessen Sockelgeschoss eine Kapelle Platz findet. Eine provisorische Kapelle wurde im Juni 2011 eingeweiht. Bis zur Vollendung des Turmbaus, in dessen Sockel sich auch zu DDR-Zeit eine Kapelle befand, soll das Provisorium zu Gottesdiensten und Gesprächen genutzt werden.

 

4. Welche juristischen Hürden waren zu nehmen, damit der Wiederaufbau beginnen konnte?

Für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche musste die gleichnamige Stiftung im März 2010 alle nötigen Grundstücke übertragen bekommen. Dabei handelte es sich um vier Flurstücke in der Breiten Straße mit einer Gesamtfläche von 1.600 Quadratmetern sowie das Gebäude, in dem sich eine Ausstellung zum Wiederaufbau befindet.

Bereits am 25. Februar 2010 war die Übertragung der Grundstücke von der Stadt Potsdam und der Sanierungsträger Potsdam GmbH notariell beurkundet worden. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hatte bereits im Mai 2008 beschlossen, dass die Landeshauptstadt der Stiftung als Mitstifterin beitritt und die für den Wiederaufbau der Garnisonkirche erforderlichen Grundstücke einbringt.


5. Was kostet der Wiederaufbau und wie lässt er sich finanzieren?

Die Garnisonkirchenstiftung schätzt die Kosten auf rund 100 Millionen Euro. Zunächst soll bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 für rund 40 Millionen Euro der Turm wiedererrichtet werden. Von den bisher eingegangenen Zuwendungen von wenigen Millionen stammt mehr als die Hälfte aus Zuwendungen des Landes Brandenburg aus ehemaligem DDR-Parteivermögen. Die Stiftung erhielt auch eine Erbschaft von etwa 700.000 Euro von einer 93-jährigen Frau aus Bad Pyrmont, die im Mai 2010 gestorben war.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und die Stiftung Garnisonkirche hatten im Juni 2011 einen neuen Anlauf zur Spendenwerbung für den Wiederaufbau des 1968 gesprengten Potsdamer Barockbaus gestartet. Der inzwischen verstorbene Hamburger Unternehmer und Mäzen Werner Otto war seit 2009 gemeinsam mit seiner Frau Maren Ehrenmitglied im Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche/Potsdam.

Auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker setzt sich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche ein. Als Ehrenkurator will er in Deutschland und anderen Ländern weitere Unterstützer für das Bauvorhaben gewinnen.

 

6. Wie geht die Kirche mit Kritik am Wiederaufbau um?

Als im Juni 2011 die provisorische Kapelle der Garnisonkirche eingeweiht wurde, meldeten sich am Rand des Gottesdienstes Gegner des Bauvorhabens mit einem «Widerruf aus Potsdam» zu Wort. Die Garnisonkirche sei lange Zeit das «geistliche Zentrum des preußischen Militarismus» gewesen. Wer die Kirche wieder aufbauen wolle, versöhne sich «doch nur mit der reaktionären Geschichte Preußens». Das Bauvorhaben sei zudem eine Verschwendung öffentlicher Gelder für die Errichtung einer «kunsthistorisch wertlosen Kopie».

Schon bei der Einweihung der Kirche betonte Wolfgang Huber: „Der Widersprüchlichkeit, die sich mit diesem Ort verbindet, werden wir uns immer wieder stellen.“ Auch die Pfarrerin der Garnisonkirchen-Kapelle will auf die Kritiker des Wiederaufbau-Projekts zugehen. «Ich wünsche mir, dass man ins Gespräch kommen kann», sagte Juliane Rumpel. Die Befürworter des Wiederaufbaus der Garnisonkirche stünden für eine «durchaus differenzierte Auseinandersetzung» mit dem Widerstand des 20. Juli, kündigte die Theologin an.


7.  Wo gibt es weitere Infos und wie kann man beim Wiederaufbau helfen?

Umfangreiche Informationen zur Arbeit der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, zu Gottesdiensten und Spendenmöglichkeiten finden Sie auf der Seite www.garnisonkirche-potsdam.de.

Sehr lesenswert ist der Bildband: Reinhard Appel, Andreas Klitschke (Hg.), Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche. Helmut Lingen Verlag, Köln. Der Band enthält neben zahlreichen kenntnisreichen Texten eine Vielzahl an historischen Fotografien, die einen Eindruck von der Schönheit und Bedeutung der Kirche vermitteln. 160 Seiten, 4,95 Euro.

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