Gut essen, das geht zu Hause oder im Restaurant. Aber auch im Künstlerhaus oder im Weinberg oder gleich neben dem Flug­hafen. Manchmal kochen Künstler und Aussteiger, oder Sie bringen Ihr Dinner mit. Fünf Verführungen zum Besonderen
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
Tim Wegner
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
26.06.2012

Freitagsküche, Frankfurt am Main

Schon eine Viertelstunde, nachdem die Tür aufgeht, sind alle Plätze besetzt. Die Tische sind mit weißem Damast gedeckt. Blümchen drauf, darüber schweben schwarz emaillierte Fabrikleuchten. In einer kleinen, offenen Küche machen sich zwei junge Frauen gut gelaunt an die Arbeit: Saskia Martinez von der Fliegenden Volksbühne Frankfurt und Maiken Laackmann, Designerin vom Gestaltungsbüro Très Très (wörtlich: Sehr Sehr), die ihr Büro im gleichen Haus hat, im Künstlerhaus nahe dem Frankfurter Hauptbahnhof, Mainzer Landstraße 105. Sie kochen zu günstigen Preisen: Risotto mit Spargel und Minze. Risotto mit Schweinebraten und Salbei-Aprikosen-Soße. Rhabarber-Erdbeeren-Mus.

Eine Schlange formt sich vor dem Küchentresen, die Köchinnen nehmen Bestellungen auf. Jeder Gast bekommt einen Kennnamen: Ali, Ari, Bea . . . Dann heißt es sitzen, warten, trinken, reden. Eine bunte Mischung meist junger Menschen hat sich eingefunden, 70, 80 an der Zahl. Kunst- und Designstudentinnen, bebärtete Jungs, eine Plisseerock-Trägerin, Indiomänner, eine Afrofrau. Dazwischen eine Perlenträgerin um die 50 und ein paar grauhaarige Männer, Typ Buchhändler oder Kunstlehrer. Am Tisch erzählt Jérôme, Deutschfranzose mit einem Atelier im Haus, von seinen künst­lerischen Plänen. Seine Freundin Caroline, Französin, kommt dazu, sie fertigt Zeichnungen und Objekte. Sie winkt eine Freundin an den Tisch, Georgierin, mit der sie abwechselnd englisch und deutsch spricht. Endlich rufen die Küchenfrauen die Namen aus: Fu, Gül, Ida und Isla. Der Schweinebraten schmeckt fruchtig, das Risotto könnte wärmer sein. Steffen Jobst, mit Cap und im Karohemd, sitzt plötzlich am Tisch, erzählt von seinem Magazin „hundert5“. Kein Risotto, er trinkt nur etwas. Zur Nachspeise machen sich wieder Dutzende auf den Weg. Bleistifthaken hinter den Namen Ali, Che und Gül künden: fini. Das haben Saskia und Maiken très, très bien gemacht.

Infos: Freitagsküche

Mahl mit Vortrag

Jetzt gibt es Mangoldsuppe mit frischer Minze, doch die ältere Tischnachbarin zögert, bevor sie den Löffel eintaucht. „Kein Tischgebet?“ Nein, kein Tischgebet, aber es gab ja vor dem Essen schon Stoff für Hirn und Seele. Wir sitzen an schön gedeckten Sechsertischen mitten in der Kunstausstellung „himmelüber“ in der Frankfurter evangelischen Stadtakademie Römer9, zwischen Fotografien und Malereien über die „unverfügbare Welt“. Den Himmel. „Lunch and Lecture“ wird hier mittwochs mittags um 12 Uhr aufgetischt. Der Lunch kommt von der Kneipe nebenan, die Lecture ist heute ein kleiner Vortrag über Feuerbach und den Himmel auf Erden. Und ein Gedicht von Nelly Sachs, „Geschirmt sind die Liebenden unter dem zugemauerten Himmel...“

25 Leute sind gekommen, Berufstätige aus den Büros in der City. Man unterhält sich über die Ausstellung, ob es Bilder geben könnte, die einem den Appetit verderben, und dass der Himmel über Frankfurt heute grau und bleiern ist, ein Gewitter hängt über den Banktürmen. Aber in Katar, weiß eine Geschäftsfrau zu berichten, da ist der Himmel immer blau, und das ist auch wieder langweilig. So hat man sich gerade festgeplaudert, schon ist die Mittagspause vorbei, ein Gong ertönt, die Kantorin stimmt noch eine Klang­installation an, zu der wir uns erheben und „Wind machen“ mit unseren Stimmen. Nächs­ten Mittwoch ist die nächste Lecture, es wird eine Meteorologin vom Wetterdienst in Offenbach sprechen. „Seien Sie gesegnet, geerdet und gehimmelt“, verabschiedet uns die Akademieleiterin. Gestärkt ist die Mittagesserin allemal, auch ohne Tischgebet.

Römer 9:  Ab Herbst gibt es „Lunch and Lecture“ zum Thema Wirtschaft

Anschwellende Gästeschar

Der Zufall führt Regie. Nicht was das Essen, sondern die Gäste angeht. Wie viele sind’s? Wer kommt? Einmal wöchentlich öffnen Diana von Finck, Literaturwissenschaftlerin, und ihr Mann Meno, Arzt, ihr Haus in der Nähe von Tübingen für Gespräche und gemeinsames Essen. Ihre Meisterschaft: blitzschnell auf die anschwellende Zahl der Überraschungsgäste zu reagieren. Nachzulesen in ihrem Koch- und Anekdotenbuch. Darin: Tipps für die Küche, dazu nette Fotos, kleine Geschichten.

Diana von Finck, Dienstags . . . , Südwestbuch, Stuttgart 2011

Schlemmen an der Rheingauer Riviera

Rhabarber-Kokos, Berner Himbeer, Mohn-Schmand oder lieber Käse-Vanille? „Nehmen Sie die Suchttorte: Preiselbeer-Schoko“, empfiehlt Martina Kurz dem unschlüssigen Vater. Zu elft sind wir in ihr „Kaffee Kränzchen“ in Walluf am Rhein eingefallen: sechs Kinder, fünf Erwachsene. Erdbeer-Sahne-Baiser-Torte geht gut weg – „Göttlich!“ Früher war Martina Kurz Personalchefin in der Metallbranche. Vor 12 Jahren richtete sie die Gewerberäume unter ihrer Mietwohnung als Café ein, kaufte Einrichtung und Geschirr bei Trödelhändlern zusammen. Keine zwei Tische passen zusammen, kaum eine Tasse und ein Teller. Seither backt sie jede Woche von Mittwoch bis Sonntag zwischen 7 und 15 Kuchen. Beginn 6 Uhr früh. „Eine logistische Herausforderung“, sagt sie, „ich liebe das Organisieren.“

Kuchen, Kakao und Cappuccino verdauen die Familien an der Rheingauer Riviera: Spaziergang ins benachbarte Eltville. Die Kinder pütschern am Bach, die Eltern bestaunen die Villen. Dann geht’s in den Weingarten vom Weingut Jean Baptist Becker. Knapp 13 Hektar Weinanbaufläche gehören dazu, in den Kellern reifen Riesling, Spätburgunder, Müller-Thurgau. Dazwischen lagern Weine von 1976 und älter. Johann Josef Becker, schnurrbärtiger Nachfahre des Gründers, hatte die Idee, den bayerischen Biergarten den Rheingauer Verhältnissen anzupassen. Draußen nieselt es, im Glas­pavillon am Weingarten packen wir die mitgebrachte Gemüsequiche aus und bestellen Rheingau-Riesling-Sekt, 2010er. Und 2003er Wallufer Spätburgunder – würzig, als käme er aus Frankreich, ist aber alles von hier. Die Kinder schlürfen Limo. Am Nachbartisch veredelt Rheingauer Landwein das Picknick: Kräuterpfannkuchen mit Spinat-Lachsfüllung. Hm. Rheingau forever!

Adressen der Gaststätten: Kaffee Kränzchen,  (Alte) Hauptstraße 26, 65396 Walluf, Tel. 0177 / 67 69 869; Der Weingarten,  J.B. Becker, Rheinstraße 5, 65396 Walluf, Tel. 06123 / 74 890

Himmlischer Apfelkuchen

Fluglärm und Kerosingestank sind ja sonst keine schöne Umgebung zum Kaffeetrinken. Und der hohe Maschendrahtzaun direkt vor der Nase! Aber hier soll das so. Im Maschendraht stecken die Spatzen und die langen Objektive der Fotografen. Wir sitzen im „Café Himmelsschreiber“, direkt am Vorfeld des Hamburger Flughafens, im Winkel der sich kreuzenden Landebahnen. Eine Maschine von TUI fly macht sich zum Start bereit, eine Sonderlackierung, sehr begehrt. Zusammen mit den Spatzen, den Spottern und ihren Familien genießen wir den wunderbaren Apfelkuchen. Eine seltsame Gesellschaft, ein seltsamer Ort, unser Lieblingsziel für den Sonntagsspaziergang.

Adresse: Café Himmelsschreiber, Weg beim Jäger, 22335 Hamburg

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"Himmlischer Apfelkuchen"! Toller Tip! Köstlich die Erdbeertorten! Wir kommen wieder, mit dem Fernrohr,H undekuchen für unsere Mischlingshündin Mia, die sie dann  im Gras mit den Spatzen teilt!

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