Streit um eine abgesagte Ausstellung in der Kölner Kunstkirche Sankt Peter. Ist ein Gemälde mit einem gekreuzigten Schwein Blasphemie?
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
25.05.2012

       Der Streit hat was sehr Grundsätzliches. Der Düsseldorfer Malereiprofessor Siegfried Anzinger, ein Österreicher mit einem ausgeprägten Hang zu religiösen Motiven, konnte im Mai die vorbereitete Ausstellung in der katholischen Gemeinde und „Kunst-Station“ Sankt Peter in Köln nicht zeigen. Es hatte Streit mit dem Kunstbeirat und dem Pfarrer der Gemeinde über zwei Bilder gegeben. Das eine zeigt ein gekreuzigtes Schwein, dem ein Mensch mit der Lanze in die Brust sticht – man erinnert die Leidengeschichte Jesu am Kreuz. Zwei weitere Schweine, eher Ferkel, laufen über den rechten Querbalken des Kreuzes. Bei dem anderen Bild spielt ein erigierter Phallus mit Schlange eine Rolle. Der Pfarrer der  kunstsinnigen Gemeinde hatte den Maler gebeten, auf diese zwei Motive bei der Ausstellung zu verzichten. Seine Begründung: In Sankt Peter fänden Gottesdienste, auch Kindergottesdienste und Taufen statt. Das gekreuzigte Schwein wäre bei diesen Gottesdiensten gut sichtbar gewesen. Doch Siegfried Anzinger war nicht kompromissbereit.

Das Wort Blasphemie ist weithin verpönt

Sowohl der Pfarrer als auch der künstlerische Leiter des Beirats versuchen das Wort Blasphemie, Gotteslästerung, zu vermeiden. Nicht aber der Maler. Die Gemeinde habe Angst vor einer „blasphemischen Interpretation seitens der Gläubigen“, schrieb er in einer Erklärung. Von Blasphemie spricht niemand gern. Wer sie beklagt, weckt schnell den Verdacht, religiös konservativ zu sein.

Kann es überhaupt so etwas wie Blasphemie, Gotteslästerung, geben? Lässt sich Gott beleidigen? Es gibt viele Gründe, sich künstlerisch, humoristisch, satirisch mit den Religionsgemeinschaften auseinanderzusetzen. Wo falsches Pathos, ethischer Rigorismus, überzogene Selbstdarstellung, provinzielle Selbstgefälligkeit regieren,  kann Satire eine befreiende Wirkung haben. Da geht es aber im Grunde um menschliche Fehlverhalten. Gregor Hoff, Salzburger Theologieprofessor, sagte bei einer Tagung der Katholischen Akademie München: „Will man allen Ernstes Gott schützen? Blasphemie kennzeichnet . . . eine falsche, weil unangemessene Rede von Gott.“ Angegriffen könnten sich, streng theologisch gesehen, nur die Gottesverehrer selbst sehen – und das im Karikaturenstreit mit gutem Grund.“

Blasphemie kritisiert unangemessene Vorstellungen von Gott

Sicherlich gibt es verständliche Gründe, sich auch gegen Gott aufzulehnen – das kommt, siehe Hiob, auch in der Bibel vor: wenn Menschen mit ihrem Schicksal hadern, sich von Gott verlassen fühlen.

Es gibt aber auch Blasphemie, die Menschen geradewegs verhöhnt, ihren Glauben verächtlich macht. Menschen dürfen Respekt verlangen, nicht nur in religiösen Fragen. Im Christentum ist die Schmerzschwelle bei Grenzüberschreitungen erheblich gestiegen, anders als im Islam, in dem Mohammed-Karikaturen für große Unruhe gesorgt haben. Mohammeds Bomben-Turban ironisierte aber das Thema Gewalt, es stellt nicht Mohammed selbst in Frage. Es ist entscheidend, auf die Intention zu achten. Im Christentum ist die Einsicht gewachsen, dass weite Teile des Glaubens von Menschen historisch geprägt sind und nicht direkt von Gott geschaffen und gestiftet wurden. In den Bekenntnissen menschelt es gewaltig.

Es gibt in der Piratenpartei eine online-Diskussion darüber, ob nicht der Paragraph 166 des Strafgesetzbuches (StGB) ganz gestrichen werden sollte, also die Strafe für die Beschimpfung religiöser Bekenntnisse. Das Strafrecht hebt nur auf Situationen ab, in denen solche Beschimpfung „. . . geignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“.  Bei einer Gotteslästerung ohne folgenden Krawall in der Öffentlichkeit greift das StGB also nicht, der Schutz eines Bekenntnisses allein ist strafrechtlich nicht relevant. Das ist in einer modernen Demokratie auch richtig so: Wie sollte die Justiz über Bekenntnisse urteilen, die Theologie und Kirche anvertraut sind? Trotzdem geht der Vorschlag der Piraten in die falsche Richtung: Paragraph 166 StGB schützt den gesellschaftlichen Frieden, nicht etwa Privilegien oder Ansichten einer Institution.

Sankt Peter in Köln ist keine Galerie, keine „Kunstkirche“, sondern eine aktive genutzte Gemeindekirche. Da gelten nun einmal die Regeln der Gemeinde. Deshalb ist es vollkommen in Ordnung, wenn die Gemeinde sagt, sie möchte in ihrem Gottesdienstraum keine Schweine am Kreuz sehen. Sie hätte sich nicht gescheut, dieses Bild in anderen Räumlichkeiten zu zeigen. Auch ohne einen Konsens der Gottesdienstbesucher darüber herbeiführen, ob dieses Bild blasphemisch ist oder nicht, hat sie Gemeinde das getan, was sie durfte: den künstlerischen Rahmen für ihre Gottesdienst selbst zu bestimmen.

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Ja, der Kuenstler - wie heisst er noch? - ist im Irrtum, wenn er meint, sich jede Provokation leisten zu koennen. Und der Verfasser - Kopp heisst er - hat voellig Recht, wenn er auf bestimmte Grenzen hinweist, hier also darauf, dass die Gemeinde ueber der Hausrecht verfuegt. Blasphemie? Selbst wenn wir die Sache auf die Geschmacksebene herunterziehen: Es gibt zum Glueck immer noch bestimmte Massstaebe, die beachtet werden sollten. Und sei es die Frage des guten Geschmacks. Gleichwohl: All die klugen Interpretations- und Verstehenshinweise kluger Professoren verfangen dann nicht, wenn die Adressaten solche "Schweinereien" fuer unzumutbar halten. Der Pfarrer bzw. die Verantwortlichen haben das erkannt und richtig - will sagen: unter dem Gebot dessen, was angemessen erscheint - entschieden. Die Freiheit der Kunst wird dadurch nicht tangiert.
Guenter Apsel

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Merkwürdigerweise ist das Christentum ansonsten in Bezug auf die Verwendung des Motivs des Schweins nicht so empfindlich, spätestens dann, wenn es um die Herabsetzung anderer Religionen geht. Noch immer gibt es an 30 Kirchen das Motiv der Judensau im Sinne der antijudaistischen bzw. antisemitischen Darstellung. Auch in Köln - zu betrachten im Chorgestühl des Kölner Doms seit 700 Jahren(!) Ich fände es passend, wenn auch hier mit der gleichen Konsequenz verfahren würde. Kunstwerke wie die von Anzinger zu entfernen, bervor(!) sie überhaupt Anstoß erregt haben, ist nichts als Zensur.

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Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Zitat aus dem Artikel: "Wo falsches Pathos, ethischer Rigorismus, überzogene Selbstdarstellung, provinzielle Selbstgefälligkeit regieren, kann Satire eine befreiende Wirkung haben." Interessant! Bei echtem Pathos, alltäglicher ethischer Vorschriftenmacherei, gesunder Selbstdarstellung und hauptstädtischer Selbstzufriedenheit dürfte Satire dann keine befreiende Wirkung haben. ______________________________ Zitat: "Paragraph 166 StGB schützt den gesellschaftlichen Frieden, nicht etwa Privilegien oder Ansichten einer Institution." Ach ja? Dann ist es also blanker Zufall, dass im Gesetz von "eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung" die Rede ist? Da könnte genau so gut Künstlervereinigung, Gewerkschaft, Kaninchenzüchterverein oder Wissenschaftlerzirkel stehen?

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