Für immer vielleicht: Geschichten aus der Welt der Paten. Ein Taufkleid erzählt eine Familiengeschichte
Tim Wegner
16.05.2012

Für die Taufe voriges Jahr haben wir es vorsichtig gewaschen, mit Shampoo. Miriam van de Linde ist der vorläufig letzte aufgestickte Name von elf Täuflingen, die im Schmuck dieses Spitzenkleides aus Batist getauft wurden — es ist über hundert Jahre alt.

Miriams Urgroßonkel Karl wurde als erster am 16. Februar 1908 in das neue Taufkleid gesteckt. Seine Schwester Gerda folgte1914. Ihre Nichte Hannelore war im Jahr 1921 die Dritte. Sie starb zwei Jahre später an Hirnhautentzündung. Hannelores Bruder Hans-Karl trug das Kleid1925. Nach seinem „Notabitur“ musste er als Achtzehnjähriger in den Krieg und starb im August 1943. Die Kugel durchschlug einen Stapel Familienfotos in seiner Uniform. Wie durch ein Wunder sind die Fotos nach Hause gekommen. Im selben Jahr wie Hans-Karl starb sein älterer Vetter Karl, der erste Täufling, auch in Russland.

Karls Sohn Helmut, 1939 getauft, lernte seinen Vater kaum kennen. Gerdas Tochter Ursula, Miriams Großmutter, wurde 1945, der Sohn Dieter 1949 in dem Taufkleid zur Taufe getragen; es hatte die Bombardierung des Hauses in Bochum überstanden. Ursulas Sohn Martin, Miriams Vater, steckte 1976 darin, 1978 sein Bruder Christian. Dreißig Jahre lag das Kleid sauber gefaltet im Schrank, bis 2009 Martins Tochter Hannah darin in der evangelischen Hauptkirche in Rheydt getauft wurde. Und dann kam ihre Schwester Miriam! Wer wird der nächste ­Name sein, der vorsichtig auf das empfindliche Gewebe zu sticken ist?

Erzählt von: Heinz van de Linde

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Zum Thema Taufe möchte ich unsere Geschichten beisteuern. Unser Taufkleid ist nur halb so alt wie das in Ihrer Ausgabe von Juni 2012 erwähnte, aber 11 Taufen sind dort auch verzeichnet. 1962 wurde unsere Tochter Ilse geboren und bekam zur Taufe von ihrer Patentante das Taufkleid geschenkt. 
1963 wurde unser Sohn Götz und 1966 unser Sohn Derk darin getauft. 1991 wurde Enkelin Judit, 1993 Enkel Mathis, 1995 Enkel Ruben geboren, aber der Vater lehnte eine Taufe ab. Das holten unsere Enkelkinder 2006, 2008 und
2009 vor ihrer Konfirmation nach. Sie konnten das Kleid natürlich nicht tragen, aber die Namen wurden trotzdem eingestickt. Als unsere Enkeltochter Hanna 1999 unterwegs war, machten wir gerade eine Studienreise durch Israel. Es war für uns selbstverständlich, dass das Kind mit Jordan-Wasser getauft werden musste. Danach folgten Max 2001, Lou 2003, Paul 2004 und Elias 2005. Diese Enkel wurden natürlich alle mit Jordan-Wasser getauft. Nach jeder Taufe sammelte der Opa das Wasser ein und filterte, damit es sich gut aufbewahren ließ. Jetzt können die Urenkel auch in dem Kleid mit Jordan-Wasser getauft werden.

3. Juni 2012

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