Illustration: Marco Wagner
Von der Sklavin zur Aktivistin und Wanderpredigerin
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
16.04.2012

Einen Nachnamen hatte sie nicht. Kein Sklave, keine Sklavin hatte einen. Isabella – das musste reichen. Sklaven gehörten so eindeutig zu ihren Herrschaften, dass deren Namen alles bestimmte.

Geboren im Staat New York auf einer Farm, die eingewanderten Niederländern gehörte, stand sie, nach dem unerwarteten Tod ihres Besitzers, mit etwa 9 Jahren zum Verkauf. 100 Dollar zahlte ihr neuer Herr, ein Kaufmann, bei einer Auktion, etwa so viel, wie eine Magd in einem halben Jahr an Lohn erhielt. Der neue Besitzer ärgerte sich zunehmend ­darüber, dass Isabella nur Holländisch, aber kein Wort Englisch sprach. Mit der Peitsche versuchte er ihr, die neue Sprache einzuprügeln – natürlich ohne Erfolg. Nach rund zwei Jahren verkaufte er Isabella für 105 Dollar weiter. Sie geriet an einen etwas verständnisvolleren Mann, einen Farmer. Doch Sklavin war sie weiterhin. Es lag noch ein langer Weg vor ihr, bis sie zu einer der markantesten Kämpferinnen gegen die Sklaverei in Amerika wurde.

Auf Befehl ihres Besitzers musste sie einen älteren Sklaven heiraten

Der Weg war gepflastert mit Problemen. Als sie sich mit etwa 17 Jahren in einen jungen Sklaven einer Nachbarfarm verliebte, war dessen Besitzer außer sich. Sklavenhalter waren immer darauf aus, Nutznießer von Geburten zu sein. Eine ­solche Chance drohte ihm hier zu entgehen, denn ein mögliches Kind würde bei der Mutter bleiben. Er misshandelte den jungen Mann schwer und unterband jeden weiteren Kontakt. Trotzdem war Isabella schwanger geworden. Zwei Jahre später musste sie auf Befehl ihres Besitzers einen älteren Sklaven heiraten. Nach und nach bekam sie vier weitere Kinder.

Doch dann wurde alles anders in Isabellas Leben. Da ihr Besitzer das Versprechen, sie freizulassen, nicht einhielt, floh sie etwa 28-jährig mit ihrer Tochter Sophia zur Familie eines Quäkers. Sie bewunderte diese christliche Friedenskirche. So viel wusste sie, dass ihre Mitglieder zu den ers­ten und engagiertesten Kritikern der Sklaverei gehörten. Die Familie, bei der sie unterkam, löste sie aus und gab ihr die ersehnte Freiheit.

Nach einer religiösen Offenbarung wurde sie Predigerin

Sie ging als Hausangestellte nach New York City und schaute sich in den folgen­den Jahren in verschiedenen mehr oder weniger christlichen Gemeinden um, darunter eine schillernde prophetische Gemeinschaft, die später unter einem großen Skandal aufgelöst wurde. Jahre danach wurde sie Mitglied in der Reformgemeinde der Northampton Association of Massachussetts, die für Frauenrechte und gegen Sklaverei kämpfte.

Viele Sklaven taten sich nach ihrer Freilassung außerordentlich schwer, die gewonnene Freiheit aktiv zu nutzen, sei es in ihrer persönlichen Lebensgestaltung, sei es indem sie politisch Einfluss nahmen. Auch Isabella war jahrelang auf der Suche nach einer religiösen Heimat und ihrer politischen Rolle. Schließlich zog sie, auch aufgrund einer religiösen Offenbarung, als Predigerin durchs Land und warf sich mit 46 Jahren engagiert in den politischen Kampf gegen die Sklaverei. Von da an nannte sie sich Sojourner Truth, frei übersetzt: Reisende in Sachen Wahrheit.

Ihre Markenzeichen: beißender Humor und politische Radikalität. Es sollte noch zwei Jahrzehnte dauern, bis die Sklaverei amerikaweit endgültig per Gesetz abgeschafft wurde, nämlich im Jahr 1865. Und damit war der tägliche Rassismus noch nicht ansatzweise erledigt, vom Wahlrecht der Frauen ganz zu schweigen.

Die bürgerlichen Frauen hatten nur die Rechte der Weißen vor Augen

Legendär wurde Sojourners Rede bei einer Frauenrechtskonvention 1851 in Ohio. Der Titel: „And ain’t I a woman?“ („Und bin ich denn keine Frau?“). Forsch legte sie ­ihre Finger in die Wunde der ­bürgerlichen Frauenbewegung: Die kämpfte zuerst und fast nur für die Rechte der weißen Frauen. Diese bürgerlichen Frauen waren entsetzt, als sich abzeichnete, dass die schwarzen und die indianischen Männer, darunter auch die vor kurzem befreiten Sklaven, ein Wahlrecht noch vor ihnen bekommen würden. So kämpfte Sojourner zugleich gegen die statusbewussten weißen Frauen und gegen die Männer.

Sojourner machte sich auch damit einen Namen, dass sie Entschädigungen für die ehemaligen Sklaven forderte, zum Beispiel Grund und Boden. Finanzielle ­Forderungen wurden bis heute nicht erfüllt.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Segelboot aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.