Foto: Katrin Binner
Was kann ich denn schon auf dem Arbeitsmarkt leisten?
Nochmal ganz von vorn anfangen musste Tina H. nach zehn Jahre als Mutter, Ehe- und Hausfrau. Denn in den alten Beruf zurückzukehren, das war nicht möglich. Jetzt hat sie endlich einen Job gefunden.
Tim Wegner
14.04.2011

Am Anfang, nach dem Abitur, lief bei meinem Mann und mir alles parallel: Er studierte Jura, ich machte eine Schneiderausbildung, arbeitete zwei Jahre als Gesellin am Theater und studierte dann Bekleidungstechnik. Aber mit dem ersten Kind hatten wir plötzlich eine klassische Rollenverteilung. Er fing damals gerade als Wirtschaftsjurist an zu arbeiten und war wie weg, von morgens neun bis abends elf. Bald war das zweite Kind unter­wegs, und ich verschob meine Pläne, arbeiten zu gehen, weiter. Und das Leben mit den Kindern hat mir ja auch Spaß gemacht.

Aber ich hätte meinen Beruf nicht einfach so aufgeben sollen. Denn jetzt sind wir getrennt. Mein Lebensmodell – „versorgte Hausfrau mit Familie“ – ist zu Ende, und ich fange ganz von vorne an. Vor zwei Jahren bin ich ausgezogen, mit den Kindern, die waren damals neun und elf. Ich hatte meine Gründe.

Ich schrieb sofort Bewerbungen. Aber wenn man zehn Jahre nicht im Beruf war und nur ein Studium hat, kommt man nicht weit. Außerdem muss man als Bekleidungstechnikerin zu Produktionsstätten im Ausland reisen – wie sollte das gehen mit den Kindern? Ich dachte, mir bleibt nur, als Verkäuferin im Textil­handel zu arbeiten, das hatte ich schon während des Studiums gemacht – mein Vater war früh gestorben, und ich hatte drei ­Geschwister. Verkäuferin, okay. Aber die Arbeitszeiten!

"Mich will eh keiner!"

„Mich will eh keiner“ – so bin ich rumgelaufen. Ich traute mir gar nichts mehr zu. So wird man natürlich auch nicht zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Du musst dir helfen lassen, sagte ich mir. Ich ging zum Frankfurter Arbeitsamt und kam in ein Programm für Wiedereinsteigerinnen beim Frauensoftwarehaus. Da sollte ich erst einmal sieben Erfolgsgeschichten aus meinem Leben aufschreiben. Das fiel mir sehr schwer. Ich hatte ganz vergessen, was ich alles schon gestemmt habe. Dass ich mein Diplom trotz der zwei Kinder gemacht habe oder dass ich alleine in ­fremden Städten zurechtkam, während mein Mann pendelte.

Endlich hatte ich sieben Erfolge zusammen. Du bist ja gar nicht so klein, dachte ich. Dass man auch Können erwirbt, wenn man eine Familie managt, hatte ich vorher nie so gesehen. Es ist eben nicht „wie spielen“! Sondern man muss sehr organisiert sein, man führt, motiviert, bestraft, man muss mit der Tagesform der Kinder klarkommen, mit Krankheiten, mit Terminen...

Ich merkte: Du bist gar kein hässliches Entlein, sondern du gehörst auch noch dazu, und du kommst wieder aufs Spielfeld. Ich bin kein Stürmer und kein Libero, aber ich bin wieder da! Und als ich dann Grundlagenkurse wie Excel und Büromanagement machte, stellte ich fest: Du kannst auch jetzt noch lernen.

Und jetzt habe ich einen Halbtagsjob bekommen! In einer großen internationalen Firma, die Bauprojekte betreut. Über eine Freundin. Die hatte ich vor zwei Jahren schon mal gefragt: Sag mal, habt ihr nicht was? Nee, nee, sagte sie. Als ich mich jetzt mal wieder mit ihr traf, erzählte ich beiläufig, was ich für Computerkurse gemacht habe – und kurz darauf rief sie mich an: Willst du nicht bei uns arbeiten? Ich trau dir das zu.

Ich werde dort in Buchhaltung eingelernt, pflege zum Beispiel die eingehenden Rechnungen ein. Das ist was völlig anderes als das, was ich gelernt habe, aber es kommt mir sehr entgegen, weil ich so ein Sortierer bin und ein akribischer Typ. Und wer weiß, was daraus noch wird! Viel verdiene ich damit nicht, aber es geht mir finanziell derzeit auch noch gut. Es gibt ja viele Frauen, die haben nichts.

"Ich bin wacher heute, und ich wehre mich auch"

Natürlich fand ich es am Anfang gräulich, dass ich jetzt immer „geschieden“ ankreuzen muss und „alleinerziehend“ – das ist ja etwas, was man als Familienmutter überhaupt nicht sein will. Aber mittlerweile denke ich, ich habe für mich gewonnen. Ich bin wacher heute, ich wehre mich auch – und sei es gegen Handwerker, die falsche Rechnungen ausstellen. Ich lerne manches wieder, was ich früher schon mal konnte: selbstständig zu entscheiden vor allem. Es ist mir eben vieles abgenommen worden in meiner Ehe. Jetzt wachse ich wieder.

Protokoll: Christine Holch

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