Foto: Michael Ondruch
"Lobt ihn mit Posaunen"
Na klar - denn wer würde nicht gern mit Pauken und Trompeten in den Himmel gelobt? Aber wahrscheinlich hat er auch bessere Ohrschützer als seine Geschöpfe auf Erden . . .
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
09.12.2011

„Die Leute sagen, wir Afrikaner seien laut“, sagt Prediger Beelo, während er seine Bassgitarre an den Verstärker anschließt. „Aber Gott ist es, der das von uns verlangt. Sehen Sie? Der 150. Psalm!“ Er legt sein Instrument weg, blättert in einer abgegriffenen, französischen Bibel und drückt seinen Zeigefinger auf eine Seite: „Da steht: ,Lobt ihn mit Posaunen‘ – na ja, die kann bei uns keiner spielen. Und: ,Mit Psalter und Harfen‘, das sind bei uns die Gitarren, ,mit Pauken‘“, er zeigt auf ein Schlagzeug. „Und ,mit Tanz‘, damit tun sich unsere europäischen Freunde schwer.“

Jeden Sonntagnachmittag feiern Pastor Beelo und seine afrikanische Gemeinde in einer Münchener evangelischen Kirche. Von außen klingt der Gottesdienst wie ein Rockkonzert. Gut, dass eine Straße die Kirche vom nächs­ten Häuserblock trennt. Pastor Beelo hat wegen Ruhestörung schon zweimal die Kirche wechseln müssen.

Gottes allerbeste Gabe

Mag Gott Musik? Die Frage wird man vor einem Jahrhundert vielleicht unbefangener beantwortet haben als heute, im Zeitalter von Tonkonserven und Hi-Fi-Technik. Musik war nur zu hören, wenn jemand sang oder ein Akkordeon dabei­hatte oder wenn sich Chor und Orchester zusammenfanden. Der Klang erhob sich über die Alltagsgeräusche. 

Je aufwendiger die Inszenierung, desto mehr erschien die Musik wie ein Geschenk des Himmels. Konzert- und Opernbesucher erlebten etwas Einzigartiges: Das Licht ging aus, und der Orchesterklang nahm die Zuhörer mit etwas gefangen, das so nie wieder erklingen würde. „Musik, du bist die tiefste Labe, die aus der Menschenseele quoll. / Bist Gottes allerbeste Gabe, da seine Güte überschwoll“, dichtete der Hamburger Lyriker Hermann Claudius (1878–1980) voller Emphase.

Suggestive Kraft der Musik

„Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (so heißt ein Aufsatz des Philosophen Walter Benjamin) hat etwas von seiner ursprünglichen Aura verloren. Musik ist jederzeit verfügbar. Sie muss mit täglichen Verrichtungen konkurrieren – beim Einkauf, beim Essen, bei Gesprächen, beim Gang durch den Wald oder bei Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln – manchmal zum Ärger derer, die das Gedudel aus den Ohrstöpseln Mitreisender ungefragt ertragen müssen.

Walter Benjamin schrieb seinen kulturkritischen Aufsatz unter dem Eindruck des Faschismus, wo Musik Propagandazwecken diente. Man unterlegte Kriegsbilder mit heroischen Melodien. Mächtige Lautsprecherklänge suggerierten Größe bei Aufmärschen. Bis heute setzt Produktwerbung auf die suggestive Kraft der Musik – die sich damit eher von ihrer dämonischen als von ihrer gottgefälligen Seite zeigt.

Kraftvolle Soulstimme

Benjamin ahnte die emanzipatorische Kraft, die reproduzierbare Kunst auch entfalten kann. Die sollte sich etwa beim Woodstockfes­tival im August 1969 zeigen. Es steht bis heute symbolisch für die Rebellion der Hippies gegen das sinnlose Morden im Vietnamkrieg. Waren Opernklänge im 19. Jahrhundert nur den Ohren der reichen Oberschicht zugänglich, so kann sich heute jedermann einen Eindruck verschaffen – auch ausschnittweise im Internet auf Youtube.

Ihren Zauber verlor die Musik trotzdem nicht. Auch heute lassen sich die einen vom Schlusschor der Bach’schen Matthäuspassion überwältigen, andere von Amy Winehouse’ kraftvoller Soulstimme.

"Reformation und Musik"

Ist Musik göttlich? Unter dem Göttlichen verstand der evangelische Theologe Paul Tillich (1886–1965) etwas, das Menschen in ihrem Selbstverständnis infrage stellt und herausfordert. Solche göttliche Offenbarung könne sehr wohl durch die Kunst „durchbrechen“. Mit seiner Auffassung stand Tillich in der langen Tradition der Wertschätzung von Kunst – und besonders von Musik in der protestantischen Verkündigung. 2012 erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland an diese Tradition mit einem Themenjahr „Reformation und Musik“. Und Ende Januar erscheint ein Sammelband mit Aufsätzen zum Thema: „Davon ich singen und sagen will. Die Evangelischen und ihre Lieder“ (EVA, 232 Seiten, 19,80 Euro).

Mag Gott Musik? Ja, wenn sie denn eine Offenbarung ist. Doch selbst das schützt sie nicht vor Missbrauch.

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Ob Gott Musik mag? wer will das schon wissen?

Es gibt jedoch eine Bibelstelle : Amos 5, 23 (Benedikltbibel)

"Hinweg von mir mit dem Lärm eurer Lieder! Das Spiel eurer Harfen will ich nicht hören."

Das klingt nicht gerade begeistert

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