Foto: Hertie-Stiftung/Sven Lambert
Das bessere Argument gewinnt
An zahlreichen Schulen trainieren Jugendliche derzeit für den Wettbewerb "Jugend debattiert". Die Besten nehmen Anfang 2012 an den Regionalwettbewerben teil. Es geht um Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Carlotta Schramm hat den Bundeswettbewerb 2011 gewonnen. Die Teilnahme hat ihr einiges gebracht
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
14.11.2011

Du hast in den vergangenen Monaten über 20 öffentliche Debatten geführt. Worum ging´s da zum Beispiel?

Carlotta Schramm: Um den Videobeweis beim Fußball, um Kinderrechte im Grundgesetz, um die Einführung von Schuluniformen, oder die Frage, ob die nächtliche Beleuchtung eingeschränkt werden soll. Alles aktuelle Fragen, bei denen es klare Pro-Contra-Positionen gibt.

Wer gewinnt? Der, der den anderen k. o. geredet hat?

Der verliert eher. Eine Jury beurteilt die Teilnehmer anhand der Kriterien Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Für jeden dieser Bereiche gibt´s maximal fünf Punkte. Am Ende wird zusammen gezählt und so der Sieger ermittelt.

Wie läuft eine Debattierrunde ab?

24 Minuten dauert eine Debatte. Man ist zu viert: Zwei pro, zwei contra. Am Anfang hat jeder zwei Minuten, um seine Sichtweise darzulegen, dann folgen 12 Minuten „freier Austausch“, zum Schluss hat jeder noch ein einminütiges Schlusswort. Die Themen bekommt man immer zehn Tage vorher, die Position, die man dabei vertreten soll, erst wenige Stunden vor der Debatte.

Welche Kommunikationsregeln muss man beachten?

Ausreden lassen. Sich nicht ins Wort fallen. Sich nicht persönlich angreifen. Sachlich bleiben. Das Gegenüber nicht durch Mimik oder Gestik irritieren oder provozieren. Und die Redezeit einhalten: Die Glocke klingelt einmal 15 Sekunden vor Ende der Redezeit. Und wenn diese überschritten wird, klingelt es zweimal, und wenn man dann immer noch nicht aufhört, dauerhaft.

Traust Du Dir nun zu, zu jedem Thema eine Meinung zu vertreten?

Ja, eigentlich schon, mit der nötigen Vorbereitungszeit. Ich hab auch gemerkt, dass Themen, bei denen ich das gar nicht erwartet hatte, sich als interessant entpuppten. Im Landesfinale in Stuttgart ging´s zum Beispiel um das geplante Pumpspeicherkraftwerk in Atdorf. Das zu diskutieren, hat richtig Spaß gemacht, denn es war aktuell und sehr umstritten. Das Publikum ging mit, und man konnte an den Gesichtern immer ablesen, was die einzelnen dachten.

Wie überzeugt man jemanden von seiner Meinung? Gibt´s Tricks?

Man überzeugt durch gute Argumente. Und es geht nur, wenn man eine sachliche Atmosphäre schafft, in der niemand das Gefühl hat, sein Gesicht zu verlieren, wenn er die Meinung der Gegenseite annimmt. 

Aber wenn das Gegenüber persönlich wird?

Oft kommen in den Wettbewerbsdebatten ja auch persönliche Aspekte vor, allerdings zum Stützen der eigenen Argumente. Einen persönlichen Angriff habe ich dabei nie erlebt. Wenn das in einer Diskussion passiert, ist es das Beste, nicht darauf anzuspringen, sondern auf der sachlichen Ebene zu bleiben.

Kannst Du das denn, wenn Du mit deinen Eltern oder Freunden diskutierst?

Mir fällt es eigentlich nicht so schwer. Das kommt bestimmt auch durch die Erfahrung mit dem Debattieren. Da musste ich mich ja immer mit beiden Positionen beschäftigen und  hab gemerkt, dass beide Seiten in der Regel gute Argumente haben. Es lohnt sich einfach zuzuhören, was die Gegenseite sagt. Und auch mal zu überlegen, ob sie nicht wirklich auch recht hat. Im echten Leben kann man das dann ja auch leichter zugeben als in einer offiziellen Debatte.

Was hat dir der Wettbewerb sonst gebracht?

Ich habe gelernt, nicht so schnell zu sprechen, das war vorher mein Problem. Es fällt mir jetzt leichter, vor anderen zu reden. Und ich kann jetzt besser argumentieren und traue mich, in Diskussionen einzusteigen.

Führst Du auch mit Mitschülern und Freunden Diskussionen?

Ja, klar. Über Stuttgart 21 zum Beispiel. Auch die Probleme in Syrien oder Libyen gehen nicht so einfach an uns vorbei. Im Gemeinschaftskundeunterricht gibt es schon hitzige Debatten.

Gibt es einen Redner, den du bewunderst?

Bewundern wäre zuviel gesagt, aber es gibt Reden, die mir gut gefallen, zum Beispiel Martin Luther Kings „ I have a dream“ oder die Reden von Richard von Weizsäcker während seiner Amtszeit als Bundespräsident. Aktuell gefallen mir Peer Steinbrücks Beiträge in den Bundestagsdebatten ganz gut. Es wäre sicherlich interessant, einem Bundestagsredner einmal über die Schulter zu schauen.

Und ein Thema, das du gerne mal ausdiskutieren würdest?

Das Auf und Ab an der Börse! Wie kann das sein, dass Leute auf Verluste wetten und damit Gewinne machen? Wenn ich das in den Nachrichten mitbekomme, aber nicht genau weiß, was eigentlich dahinter steckt – das ärgert mich.

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