"Die Kirche muss im Wohnbereich der Menschen bleiben"
Als Ralf Meister, neuer Bischof von Hannover und Margot Käßmanns Nachfolger, in Probst in Lübeck war, gab er dieses Interview
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.10.2010

chrismon: Sie haben in Lübeck als erster Propst Ihrer Landeskirche Gemeinden zu Großgemeinden zusammengelegt. Gab es viel Streit?

Ralf Meister: Kritik ja, aber keinen Protest von Leuten, die sagen, das brauchen wir nicht.

Die neue EKD-Schrift "Gott in der Stadt" wirbt für mehr Kooperation unter Stadtgemeinden. Gemeindegrenzen sollen sich mehr an Wohnvierteln orientieren. Steht da Streit über neue Grenzverläufe bevor?

Wir tun uns in der Kirche unglaublich schwer, über einmal festgelegte Grenzen zu verhandeln. Das erleben wir bei allen Fusionsgesprächen: zwischen Landeskirchen, Kirchenkreisen und Gemeinden. Ich bin überzeugt, dass neue, gut begründete Grenzen in den Quartieren auch neue Chancen für die Kirchen bieten.

Doch dann heißt es: In dem Viertel wohnen unsere Engagiertesten, das könnt ihr uns nicht nehmen.

Das zeigt, wie begrenzt die Perspektive ist. Man sieht auf die, die jetzt da sind, vielleicht seit zwei, drei Jahren. Das kann kein Kriterium für langfristige Entwicklung sein. Man kann sich ja umgemeinden. Viele Städter gehen in Gemeinden anderer Stadtteile, wo sie ein Angebot finden, das ihnen mehr entspricht.

Sprechen Sie von Profilgemeinden, die verstärkt Ehrenamtliche aus klassischen Gemeinden abziehen?

Den Vorwurf hört man oft, zu Unrecht. Die Kirche muss im Wohnbereich der Menschen bleiben. Vieles, wie die Arbeit mit Kindern, lässt sich hier am besten gestalten. Profilgemeinden mit eigenem Schwerpunkt ziehen andere Menschen an. Es ist ja nicht so, dass sich die Leute vom Stadtrand nun auf einmal alle in der Innenstadt für die Wiedereintrittstelle oder den Kirchenkiosk engagieren wollen.

Erschweren Profilgemeinden nicht die Arbeit der anderen?

Nein, sie ergänzen und entlasten sie. In Lübeck feiern die Innenstadtkirchen sehr festliche Osternachtgottesdienste. Seither bieten Kirchen in anderen Stadtteilen die Osternacht gar nicht mehr an. Das empfindet man dort nicht als Verlust.

Was zeichnet einen guten Stadtpfarrer aus?

Zum Stadtpfarrer gehört ein leidenschaftliches Interesse an der Vielfalt städtischen Lebens. Zudem muss er einen Blick für die ganze Stadt behalten. Wo ist die Mitte, nicht nur räumlich, in einer Stadt, was sind ihre Themen, ihre Konflikte? Es reicht nicht, nur sein eigenes kleines Dorf in der Stadt im Blick zu haben.

Die neue EKD-Schrift will Pröpste und Dekane gegenüber Gemeinden stärken. Mehrt die Institution nicht Misstrauen gegen sich selbst, wenn sie Entscheidungsmöglichkeiten an der Basis beschneidet?

Im Prinzip schon. Aber wir müssen einfach ein paar Dinge besser steuern. Bauvorhaben, Personalfragen und der Einsatz von Finanzmitteln gehören dazu. Sonst werden wir vielleicht am Ende die letzten Kirchensteuereinnahmen dafür verwenden, Gebäude zu erhalten.

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