Wenn man nicht für Kritiker spielt, die nur auf den falschen Ton warten.
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Ich lebe immer gern: Wenn ich in einem leeren Festzelt sitze, klage ich nicht darüber, dass es so langweilig ist. Dann gucke ich mir die leeren Bänke und Tische an und lache über die seltsame Situation. Ich fühle mich fast überall wohl ­ und mein Leben ist ein großer Luxus: Ich kann von meinem Hobby leben, Singen, ich kann vieles ausprobieren, ob im Fernsehen, im Konzert oder auf der Theaterbühne. Da gibt es ständig Momente, in denen ich mich lebendig fühle.

Was können wir von behinderten Menschen lernen?

Den Moment zu genießen. Kürzlich war ich für einige Tage in einer Behindertenwohngemeinschaft. Einer hatte Geburtstag, der Mann wurde 47 und bekam ein Fahrrad. Als er das auspackte, war er sprachlos, dem sind vor Freude die Tränen gekommen. Ich finde es fantastisch, wie offen er seine Begeisterung zeigte. Diese Freude ist unglaublich ansteckend! Früher habe ich sehr viel gegrübelt, habe Musik sehr ernst genommen. Als ich dann mit geistig Behinderten arbeitete, merkte ich, wie einfach Musik ist. Bei ihnen habe ich angefangen, nicht mehr für kritische Musiker zu spielen, die nur auf einen falschen Ton warten. Wir hatten einfach unseren Spaß miteinander.

Hat das Leben einen Sinn?

In meiner Talkshow sind Menschen, die in unserer Gesellschaft sehr unterschätzt werden, denen man von Geburt an nichts zutraut. Ich mag diese Leute, und wir gehen entspannt miteinander um, das freut mich. Das sehe ich auch als Sinn meines Lebens: es mir so schön wie möglich zu machen. Ich lache gern, habe gern schöne Momente, Freunde und Familie sind mir wichtig. Ich will mich mit dem, was ich mache, größtmöglich ausdehnen, dabei anderen aber möglichst nicht in ihrer Ausdehnung im Weg stehen ­ das ist mir wichtig.

Muss man den Tod fürchten?

Ich habe Angst vor dem Tod, natürlich. Schon als Kind habe ich oft daran gedacht: Ich war sieben Jahre alt, als mein Vater nach einer Blinddarmoperation starb; als ich vierzehn war, starb mein Stiefvater an Krebs. Wer Atheist ist und sich dem Tod stellt, der muss ja Angst haben. Ich habe auch erlebt, wie meine Oma gestorben ist. Sie war 88 Jahre alt und lebte im Pflegeheim. Zwei, drei Stunden vor ihrem Tod habe ich sie gefragt: "Hast du Angst, jetzt zu sterben?" Ich glaube, viele Sterbende werden allein gelassen, ich dagegen wollte offen mit ihr reden. "Ich bin bereit", antwortete sie mir. Doch der Moment des letzten Atemzugs, dieses letzte Aufbäumen, das war furchtbar.

An welchen Gott glauben Sie?

Als Kind habe ich einen strafenden Gott gefürchtet. Damals dachte ich, ich müsse viel beten, sonst würde etwas Schreckliches passieren. Das war eine erdrückende Last. Mit sechzehn habe ich beschlossen, damit aufzuhören, selbst wenn die Welt über mich herfällt. Das war eine totale Befreiung. Seitdem glaube ich aber auch an keinen Gott mehr.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die meiner Familie: meiner Schwester, Nichte und Mutter. Meine Mutter hat mich immer komplett geliebt, und doch hat sie mir grundsätzlich auf den Kopf zugesagt, was sie schlecht findet. Ich genieße ein ehrliches Wort, Liebe bedeutet nicht Kritiklosigkeit. Auch ein guter Freund sagt dir, wenn du etwas falsch machst. Ich bin froh, dass ich so gute Freunde habe, mit denen ich ernsthaft sein kann und lachen und schweigen kann. Wenn mich von denen einer anruft und mich braucht, bin ich morgen in Afrika. Am schönsten aber ist die Liebe meines Sohnes. Ich finde es so schön, "Papa" genannt zu werden. Mich rührt dieses Vertrauen, das er damit ausdrückt. Das ist eine Liebe, die kann dir keine Frau geben.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich würde gern meine Lizenz als Fußballtrainer machen. Und ich möchte unheimlich gerne die Arktis sehen, bevor sie weg ist. Aber vor allem wünsche ich mir, dass es meinem Kleinen gutgeht.

 

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