07.10.2010

Ich wollte immer eine Familie haben, aber es hat sich nicht ergeben. Ich war trotzdem zufrieden: ein erfüllender Job als Sozialberaterin, eine nette WG, viele Freunde. Dann lernte ich Traore kennen. 18 Jahre jünger, aber bereits Vater von vier Kindern. Eine Freundin hatte ihn zum Essen mitgebracht. Er war mal Fußballnationalspieler in einem westafrikanischen Land, jetzt spielte er in einer deutschen Regionalmannschaft. Er verdiente gut. Was übrig blieb, schickte er seiner Familie. Toll, fand ich, ein Mann, der Verantwortung übernimmt. Äußerlich maskulin, aber in seiner Art fast mütterlich - wenn ich ihn nach der Arbeit besuchte, kochte er immer für mich. Ich glaube, in seine Kochkünste habe ich mich zuallererst verliebt.

Ich glaube, in seine Kochkünste habe ich mich zuallererst verliebt.

Nach einem Jahr beschlossen wir zu heiraten. Wir hofften, eines Tages auch seine Kinder zu uns holen zu können, die bei ihren Großeltern leben. Immer hatte ich mir eine Familie gewünscht, und auf einmal schien das möglich! Erst bei der Hochzeit in seinem Dorf wurde mir klar, was es heißt, in eine afrikanische Familie einzuheiraten. Schon am Flughafen holten uns zwanzig Verwandte ab. Später saß ich bei seinen Eltern im Hof, kein Strom, ein Latrinenhaus, es war irre heiß, ich hatte rasende Kopfschmerzen, und im Minutentakt kamen Schwestern, Neffen, Onkel, um mir die Hand zu schütteln. Alles sehr fremd, aber ich fühlte mich sofort aufgenommen - als die, die ich war.

Natürlich hatten wir das Finanzielle geregelt, auch durch einen Ehevertrag. Für mich war selbstverständlich, dass ich die Kinder unterstütze: mit 250 Euro im Monat - das reicht für Medikamente, Essen und eine Privatschule -, und dass ich den größeren Anteil der Haushaltskosten in Deutschland übernehme.

Er lebt in zwei Welten 

Doch dann verlor Traore wegen einer Knieverletzung seinen Job als Fußballer. Seitdem schlägt er sich mit Minijobs durch, als Hausmeister in einer Kita, als Reinigungskraft. Er hat ja immer nur Fußball gespielt. Auf einmal war ich die Versorgerin. Für seine Familie ist er aber immer noch ein reicher Mann. Er lebt in zwei Welten. Hier ist er der Hausmann, der wäscht, kocht, einkaufen geht. Dort der Chef, der in keine Küche reindarf.

Und dann fing es mit den Anrufen aus Afrika bei mir an. Die eine Schwester hatte sich verbrannt und brauchte Medikamente, die andere hatte epileptische Anfälle, für die Tante sollte ich die Beerdigung bezahlen, die Schwägerin brauchte ein neues Dach, ein ganzes Dorf einen Brunnen. Die Situation eskalierte, als Traores Vater ins Krankenhaus musste. Ich wollte das nicht alles allein bezahlen. Aber Traore war gerade pleite. Wie ein Tiger lief er in der Wohnung auf und ab, so hatte ich ihn noch nie erlebt. Und dann richtete sich sein ganzer Frust gegen mich. Warum ich seiner Familie nicht helfen wolle?

Wir haben eine völlig andere Vorstellung davon, wie man mit Geld umgeht

Wir brauchten Hilfe. Ich bat seinen Freund und meine beste Freundin, mit uns zu reden, sozusagen als Übersetzer. So konnten wir unsere Standpunkte schildern, ohne uns gleich zu verletzen. Da wurde klar: Wir haben eine völlig andere Vorstellung davon, wie man mit Geld umgeht. In Afrika spart man kein Geld. Geld ist zum Ausgeben da. Und wenn einer was braucht, wird ihm gegeben. Auch wenn man dabei selbst alles verliert. Der liebe Gott belohnt das am Ende. Ich wollte aber sparen, für unser Alter, für die Zukunft der Kinder. "Du willst deine Ersparnisse gar nicht für dich allein haben?", fragte Traore. Aber nein, sagte ich, für uns! Da konnten wir wieder einen Schritt aufeinander zugehen. Er lieh sich Geld, und wir teilten uns die 1000 Euro für den Krankenhausaufenthalt seines Vaters.

Ich glaube, die größten Hürden haben wir in den acht Jahren genommen. Natürlich gibt es immer wieder neue Auseinandersetzungen. Zum Beispiel über Erziehungsfragen. Denn inzwischen lebt sein ältester Sohn bei uns, 16 ist er. In einem Punkt hat der Junge allerdings schon von mir gelernt: Als er merkte, dass er sein Taschengeld am ersten Tag immer komplett ausgab, bat er mich, es ihm nur noch in Raten zu geben. Den Rest soll ich für ihn sparen.

Protokoll: Ariane Heimbach

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