Tim Wegner
07.10.2010

Über Geld hat man nie geredet an der Kunstakademie Düsseldorf, wo ich studiert habe. "Das Gute setzt sich durch", hieß es immer. Das war natürlich borniert und hatte nichts mit der Realität zu tun. Ja, ich alleine kann von meiner Kunst leben. Aber bei einer vierköpfigen Familie geht es um ganz andere Beträge. Bislang war mein Mann der Hauptverdiener, er ist Rundfunkjournalist. Aber vor zwei Jahren erlitt er einen sehr schweren Hörsturz, jetzt ist er auf einem Ohr taub. Er kann nur noch in Teilzeit arbeiten.

Taxifahren oder kellnern

Taxifahren oder kellnern, das geht alles nicht für mich, weil ich weit draußen auf dem Land lebe. Mir wurde schnell klar: Ich muss mehr mit meiner Kunst machen. Da fiel mir ein, welchen Spaß ich hatte, als ich nach dem Tod unserer Hündin Coco von ihr nach einem Jugendfoto ein Porträt gemalt habe - für meine beiden Kinder, um sie zu trösten. Und das mache ich jetzt zum Gelderwerb: Porträts von Hunden und Katzen, in altmeisterlicher Technik. Das macht mir solche Freude! Endlich kann ich einfach mal nur mit meinem Handwerk arbeiten und muss nicht immer alles in mir selbst finden. Und die Tierhalter spüren sehr wohl, dass so ein Ölgemälde was ganz anderes ist als ein Foto.

Ich habe es bislang geheim gehalten, ich weiß nicht, wie meine Künstlerkollegen reagieren werden. Wahrscheinlich werden sie es nicht verstehen. Viele Künstler tragen ja sogar lieber Briefe aus oder fahren Taxi, als dass sie für normale Leute Malkurse geben würden. Dass bloß ihr Job nichts mit ihrer Kunst zu tun hat! Weil ihre Kunst heilig ist. Aber warum soll ich nicht anderen Menschen beibringen, was ein gutes Bild ausmacht? Und die Teilnehmer meiner Wochenendworkshops "Große Formate in Öl" hängen an meinen Lippen!

Allerdings ziehe ich schon eine Grenze: Ich vermarkte die Tierporträts unter meinem Ehenamen. Und ich würde auch nie die Kunst, die ich sonst mache, verkitschen - also irgendwelche hübschen Blümchenbilder malen. Ich male ja seit 20 Jahren Pflanzenbilder. Ganz reduzierte, architektonische Bilder von Knospen oder verblühten Stengeln. Da geht es um Werden und Vergehen, um Vergänglichkeit.

An der Akademie hat mir mal ein Mitstudent vorgeworfen: "Deine Bilder tun ja niemandem weh! " So nach dem Motto: Was schön ist, kann keine Kunst sein. Aber Provokation interessiert mich nicht. Mich interessiert der schmale Steg zwischen schön und nicht schön. Mir ist Natur wichtig, und ich bin nun mal ein freundlicher Mensch. Das ist meine Art, Dinge zu sehen. Aber deswegen bin ich doch kein unkritischer Mensch!

Nein, da fällt mir kein Zacken aus der Krone

Die Tierporträts jetzt, das ist natürlich Kunsthandwerk, immerhin ein mit meinen Kunstansprüchen gemachtes Handwerk. Und warum soll ich diesen Markt den Hobbykünstlern überlassen? Viele große Künstler haben Auftragsarbeiten gemacht, um zu überleben - zum Beispiel Porträts und schöne Landschaften. Viele haben darunter gelitten. Ich leide nicht darunter, aber ich hänge es auch nicht an die große Glocke. Und wenn mich Kunstsammler besuchen, räume ich die Hundebilder ins Regal hinter den Vorhang.

Am Anfang des Kunststudiums denkt man natürlich, dass man mal auf der Documenta ausgestellt wird oder Professor wird. Das ist alles nicht so gekommen. Aber ich bin nicht traurig darüber. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch mit meinem kleinen Leben. Ich habe Preise bekommen, ich stelle in Galerien aus, ich verkaufe meine Kunst ganz gut. Ich will nur essen und trinken, mit meiner Familie sein, ansonsten meine Ruhe haben und in meinem Garten graben können. Und malen natürlich! Ich brauche das, dass etwas entsteht. Und wenn ich mit den Hundebildern die Menschen auch noch glücklich mache - wo gibt es schon diesen engen Zusammenhang zwischen Künstlerin und Betrachtern? Nein, da fällt mir kein Zacken aus der Krone. Ich nehm mein Leben ernster als die Kunst. Ich glaube, es ist mir egal, was andere Künstlerkollegen denken werden. e

Protokoll: Christine Holch

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