Aber noch fühlt sich Sven Regener auf der religiösen Seite eher unbegabt
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Immer, ich bin nicht wählerisch. Ob ich in Berlin durch die Straßen laufe, am Meer bin oder bei mir zu Hause - das ist doch ganz egal. Ich bin keiner, der erst in bestimmten Momenten auflebt. Selbst wenn ich einen Durchhänger habe, ist das eine Form von Lebendigkeit. Für mich ist auch das Traurige schön, in der Musik sowieso. Ich bin kein speziell melancholischer Mensch, nicht mehr als alle anderen. Ich habe nur kein Problem damit zuzugeben, dass Melancholie in meinem Leben eine große Rolle spielt.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Zwischen zwei und drei Jahren haben Kinder was extrem Bezauberndes, so eine unglaubliche Neugierde und Offenheit. Sie sind begeistert von Dingen, die wir nicht einmal mehr bemerken. Das ist toll - aber sollte man das von ihnen lernen? Wir hatten das ja auch mal, und es gibt gute Gründe, dass wir nicht mehr über alles staunen. Ich bin 47 Jahre alt: Soll ich mich wirklich benehmen wie ein zweieinhalbjähriges Kind? Ich glaube nicht. Grundsätzlich ist es immer besser, wenn die Kinder von den Erwachsenen lernen. Die Kinder vertrauen darauf, dass sie von den Erwachsenen etwas lernen, weil die Kinder keine Ahnung haben, die sind neu im Geschäft.

An welchen Gott glauben Sie?

An gar keinen. Ich bin auf der religiösen Seite eher unbegabt, das ist mir nicht gegeben. Glauben ist ja auch eine Fähigkeit, und die habe ich nicht. Aber so was kann sich ändern, bei vielen Leuten kommt der Glaube mit dem Alter. Wenn es bei mir mal dazu kommen sollte, wäre es sicher der evangelische Gott. So bin ich aufgewachsen, das hat mich geprägt. Es wäre Unsinn, im Alter mit etwas Neuem anzufangen. Ich finde ohnehin: Eine Religion muss jeder Mensch gescheit lernen, damit er sich entscheiden kann, ob er das haben will oder nicht. In der Pubertät stellt man meistens fest, ob einem die Religion etwas bedeutet oder nicht. Deshalb ist es gut, wenn die Kinder vorher Religionsunterricht haben und sich schlau gemacht haben. Ich habe mich schon nicht mehr konfirmieren lassen, ich war sehr auf Polit.

Muss man den Tod fürchten?

Jeder Mensch hat Angst vor dem Sterben und dem Tod, da muss man gar nicht drum herumreden. Wir leben, und wir wollen leben, sonst würden wir jederzeit bei Rot über die Ampel gehen. Die ganze christliche Sause hat ja auch weniger mit dem Leben als mit dem Tod zu tun. Und dem Trost, was den Tod betrifft.

Dann müssen viele Menschen darauf zurückgreifen, das verstehe ich gut. In meinem Alter geht man ja öfter auf Beerdigungen. Wenn ich protestantischer Pfarrer wäre, würde ich allerdings die schöne Gelegenheit nicht verstreichen lassen, der versammelten Trauergemeinde mal ordentlich die Ohren langzuziehen: Dass es mal wieder typisch ist, dass sich alle das ganze Jahr nicht blicken lassen und nicht über den lieben Gott nachdenken, aber wenn einer stirbt, muss doch der Pastor ran, weil sie sonst keinen Trost haben, weil sie dann doch am Ende diesen Trost des jenseitigen Lebens brauchen. Ich würde mal ein bisschen mehr die Zähne zeigen.

Hat das Leben einen Sinn?

Nein. Das ist doch ähnlich wie bei einem Kunstwerk, bei dem jemand fragt: "Was soll das?" Ich kann mich vor Rembrandts "Nachtwache" stellen und fragen: "Was soll das?" Und die einzig wahre Antwort lautet: "Nix! Das ist einfach nur da." Das Bild sollte mal einen Kundenwunsch befriedigen, aber das war es auch schon. Hinter der Frage nach dem Sinn steht ja die Frage: Wie lebt man richtig? Aber auch darauf gibt es keine richtige Antwort. Das machen die Spießer, die einem vorschreiben wollen, wie man zu leben habe. Meine Kinder sind das Tollste, was ich in meinem Leben kenne, sie geben meinem Leben Freude. Schön, aber das heißt ja noch nicht, dass das für andere auch so sein muss. Es ist doch Unsinn, von sich auf andere zu schließen.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich wollte mir nie unbedingt bestimmte Träume erfüllen. So läuft das bei mir nicht. Ich lebe lieber im Hier und Jetzt, das ist doch die einzige Möglichkeit. Ich bin auch keiner, der sich was zum Geburtstag wünscht, am liebsten will ich gar keine Geschenke. Die Leute glauben immer, sie müssten so was haben: Der Traum vom Lottogewinn! Oder einmal die Niagarafälle sehen! Ich will einfach nur mein Leben leben.

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