Ist Mission überholt?
Mission erinnert bis heute an religiösen Zwang und trickreiche Abwerbung. Doch der ursprüngliche Sinn verheißt etwas anderes
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
07.10.2010

Ende August in Afghanistan: Nach mehr als fünf Wochen Geiselhaft lassen die Taliban die letzten sieben der ursprünglich 23 entführten Südkoreaner frei. Einer der Gründe für das Einlenken der Entführer: Die Regierung in Seoul hatte zugesagt, den Einsatz christlicher Missionare in Zukunft zu unterbinden. Tatsächlich gehörten die Entführten einer christlichen Hilfsorganisation an, deren es viele in Südkorea gibt.

In Ländern, in denen Religionsfreiheit existiert, kann allerdings weder der Staat solche weitreichenden Vereinbarungen treffen noch werden die betroffenen Christen sie akzeptieren. Missionarisch zu wirken gehört zum Kern des christlichen Selbstverständnisses. Zugespitzt gesagt: Eine Kirche muss missionarisch sein, oder sie ist keine Kirche.

"Mission": ein Wort, das polarisiert.

"Mission": ein Wort, das polarisiert. Es klingt nach Abwerbung und religiösem Zwang, nach Suggestion und Kolonisation. Alles von gestern! Unter einer missionarischen Kirche ist eine Kirche zu verstehen, die ihren Auftrag ernst nimmt, zu anderen Menschen zu gehen und von der erfahrenen Güte Gottes zu berichten. Die andere an ihren Zukunftshoffnungen teilhaben lässt. Mission ist Werbung statt Belagerung, Einladung statt vornehmer Zurückhaltung, Begeisterung über den eigenen Weg statt Abwertung anderer.

Das lateinische Wort missio bedeutet Sendung. Nach den Berichten der Evangelien erschien Jesus, der Auferstandene, seinen Jüngern und trug ihnen auf: "Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker. Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes..." (Matthäusevangelium, Kapitel 28). Diese Aufforderung wird traditionell der "Missionsbefehl" Jesu genannt.

Mission ist eine Grundhaltung

Das Thema Mission ist ein Dreh- und Angelpunkt in der Debatte um die Zukunft der Kirchen. Mission ist keine Tätigkeit, die sich an bestimmte Personen und Einrichtungen der Kirche delegieren ließe, sondern eine Grundhaltung aller, die zur Kirche gehören, erst recht jener, die für die Kirche arbeiten. Ob evangelische Krankenhäuser oder Beratungseinrichtungen, evangelische Kindergärten, Schulen oder Gemeindegruppen: Sie alle sind Orte der Mission. Das heißt: Hier tauschen sich Menschen über ihre Lebens- und Glaubenserfahrungen aus, prüfen die Vorzüge der kirchlichen Arbeit, versuchen andere Menschen dafür zu gewinnen.

Das setzt allerdings persönliche Überzeugung vom Nutzen und Frommen der kirchlichen Arbeit voraus. Und die Realität? Sich vornehm-unentschieden zurückzuhalten ist in den modernen westlichen Gesellschaft weiter verbreitet als selbstbewusstes Werben für den eigenen Glaubensweg. Das hat auch historische Gründe. Von der ursprünglichen Begeisterung über die Reformation und den Gewinn der Religionsfreiheit ist nicht viel übrig geblieben. Respekt und Freiheit sind einer eleganten Passivität gewichen. Der Impuls der Reformatoren war, den Glauben vor weltlichem Zwang zu schützen. Den Glauben und alles, was damit zu tun hat, sah Martin Luther dem Geltungsbereich der weltlichen Macht entzogen. Zum Glauben sollte man niemanden zwingen - ein Grundsatz, der im Augsburgischen Bekenntnis seinen Niederschlag fand: Die Weitergabe des Glaubens muss "sine vi, sed verbo", "ohne Gewalt, allein durch das Wort" erfolgen.

Diesen Missiongrundsatz beherzigen heute alle christlichen Kirchen. Christliche Mission, die diesen Namen verdient, zeigt Respekt und Toleranz gegenüber Menschen anderen Glaubens. Doch dies schließt nicht aus, dass man im Gespräch mit anderen Religionen und Konfessionen deutlich macht, welchen Vorteil man aus der eigenen Konfession und Religion gewinnt. Mission lebt unausweichlich vom Vergleich: dem Vergleich der religiösen Biografien und Lebensumstände, der Werte und Normen, der Geschichte und der Verheißungen der Religionen. Mission hilft bei der Unterscheidung religiöser Wege, aber die Entscheidung ist allein Sache der Menschen.

Auch die "innere Mission" ist weiter wichtig: die Sorge um Menschen, die sich von der Kirche abwenden oder nie Berührung mit ihr hatten. Das, was Fachleute die nachgehende Seelsorge nennen, wird in Zukunft wichtiger werden: zu den Menschen hinzugehen statt auf sie zu warten. Es wäre schon ein merkwürdiges Verständnis von Mission, wenn die kirchliche Botschaft nur zum Abholen bereitläge.

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