Wanderarbeiter in Vietnam gehören zu den Allerärmsten auf der Welt. Aber wer sie deswegen bemitleidet, hat etwas missverstanden. Menschen wie Thuy, Lam und Minh, die in Hanoi für ein paar Cent am Tag hart arbeiten, sind keineswegs Bittsteller, sondern Stützen der Gesellschaft: Sie wissen alles über die Würde des Gebens Text
07.10.2010

Das Holz der Gitarre splittert schon, die Farbe blättert ab. Der Mann spielt dennoch auf dem alten Instrument, ein anderes hat er nicht. Dazu singt Do Van Minh mit seiner kratzigen, leicht näselnden Stimme von der Liebe und vom Tod. In Vietnam enden alle Lieder tragisch.

"Du darfst niemanden bedrängen, du darfst nicht betteln!"

Minhs Sohn Hung springt am Straßenrand entlang und drückt den Gästen der Garküchen seinen Strohhut unter die Nasen. Die meisten legen einen abgegriffenen Schein mit dem zerknitterten Antlitz Ho Chi Minhs in den Hut. 500 Dong, 1000 Dong, Beträge zwischen drei und sechs Cent. Doch Minh ist nicht zufrieden mit seinem Sohn: "Halt den Leuten den Hut nicht so nahe ans Gesicht!", ruft er. "Du darfst niemanden bedrängen, du darfst nicht betteln!"

Auf dem Gepäckträger klemmt ein Mülleimer mit der Aufschrift "Glück für jeden". Am Fahrradlenker baumeln Tüten mit Spiegeln, Zahnstocher-Dosen, Schlüsselanhängern. Auf der Satteltasche türmen sich pinkfarbene Schüsseln über roten Eimern, obenauf thronen blaue Hocker. Nguyen Thi Thuy schiebt ihr rollendes Plastikwaren-Geschäft bei 35 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von fast 100 Prozent durch den dichten Verkehr der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi. Gegen die stechende Sonne trägt sie einen Hut aus Reisstroh und Handschuhe, die bis zum Oberarm reichen. Gegen die Abgase bindet sie ein Stück Stoff über Mund und Nase.

Nur am Mittag legt Thuy eine Pause ein. Im schattigen Innenhof eines Wohnblocks trifft sie sich mit anderen Straßenhändlerinnen. Sie sitzen zusammen, kämmen sich, betrachten sich im Handspiegel, kichern, träumen von Brautkleidern und Kindern und warten, dass die schlimmste Hitze nachlässt.

"Wenn eine von uns einen guten Tag hatte, kauft sie für alle eine Erfrischung"

Thuy kauft einen großen Becher Sojamilch und eine Tüte saure Pflaumen, die sie im Kreis herumreicht. Sie selber nimmt nur einen kleinen Schluck und isst eine einzige Frucht. "Wenn eine von uns einen guten Tag hatte und Geld da ist, kauft sie für alle eine Erfrischung", sagt sie.

Heute ist sie die Erfolgreiche. Schon am frühen Morgen hat sie zwei Schüsseln und einen Eimer verkauft. Das ist viel. Manchmal wird sie an einem ganzen Arbeitstag nicht ein einziges Stück ihrer Plastikware los.

Pham Van Lam ist blind. Für ein Almosen spielt er vor Geschäften und Restaurants auf seiner Holzflöte, die nur drei Löcher hat. Sein zehnjähriger Sohn Bui führt ihn. Er hält seinen Arm. Naht ein Schlagloch, warnt der Junge ihn vor, stolpert der Vater, fängt er ihn auf.

In der Mittagshitze sitzen Vater und Sohn meist irgendwo am Straßenrand. Oft kommt auch Hao dazu, der sich als umherziehender Zeitungsverkäufer durchschlägt. Hao stammt aus demselben Dorf wie Lam. Die beiden Männer kennen sich seit der Kindheit und vertrauen einander. Wenn Hao krank ist, bringt Lam ihm eine Reissuppe und zahlt den Schlafplatz für ein, zwei Nächte. Wenn Lam krank ist, hilft Hao.

An diesem Tag legt der Flötenspieler Lam seinem Freund ein Bündel Geldscheine in die Hand und drückt diese dabei fest zu. "Bring das Geld sicher zu meiner Frau", bittet er den Freund, der für ein paar Tage nach Hause ins Dorf fährt. "Grüße sie von mir und sag ihr, mir und dem Jungen geht es gut." Nicht verraten soll er, wie sie in Hanoi leben: das stickige Zimmer, das karge Essen, der Ärger mit der Polizei, die Einsamkeit.

Der Gitarrist und Sänger Minh, 41, die Plastikhändlerin Thuy, 21, und der blinde Flötenspieler Lam, 45, sind Wanderarbeiter. Sie haben ihre Familien auf dem Dorf zurückgelassen und verdienen ihr Geld auf den Straßen der Stadt. Auf den Dörfern gibt es außerhalb der Ernte- und Pflanzzeiten nicht genug zu tun. In der Stadt können sie das spärliche Einkommen ihrer Familien ein wenig steigern.

In Hanoi mit seinen offiziell drei Millionen Einwohnern leben noch einmal etwa eine Million Wanderarbeiter. Sie verkaufen Luftballons, Zuckerwatte, Plastikeimer, Postkarten, Stoffe und Haarspangen, sie prostituieren sich, sie musizieren, sie betteln, sie verdingen sich als Tagelöhner auf den Baustellen. Sie besitzen nichts. Abends mieten sie eine Matte in einem Schlafraum in dem überfüllten Stadtteil Phuc Tan unten am Ufer des Roten Flusses.

Wer ist arm? Wer ist reich?

In einer ökonomischen Rangliste aller Bürger der Welt müssten diese Menschen einen der untersten Plätze belegen. Sie sind die Ärmsten in einem der ärmsten Länder der Welt. In einer Rangliste für Gemeinsinn und Nächstenliebe würden diese Menschen weit oben stehen. Sie geben das Wenige, was sie haben, bereitwillig weiter. So selbstverständlich, dass einem Mitteleuropäer dabei die Kategorien durcheinander kommen. Wer ist arm? Wer ist reich?

Sieben Uhr morgens, Frühstückszeit in Hanoi. An den langen Tischen am Straßenrand beugen sich Männer, Frauen und Kinder über dampfende Suppenschalen. Geräuschvoll schlürfen sie die Brühe aus tiefen Löffeln. Mit den Stäbchen fischen sie nach Streifen von Hühnerfleisch, Reisnudeln und Melisseblättern.

Minh hängt sich die E-Gitarre über die Schulter, schiebt das Mikrophon in das Blechgestell um seinen Hals und legt einen Schalter um. Eine Autobatterie, Verstärker und Lautsprecher stecken in zwei selbst gebauten Kisten aus Sperrholz. Obenauf hat Minh Tragegriffe aus Stoffband genagelt. Sein Sohn Hung und der Neffe Lien, beide 12 Jahre alt, schleppen die Instrumente.

Mit doppeltem Echo schallen die traurigen Liebeslieder und die Hymnen auf das Leben von Bauern und Helden aus dem Lautsprecher. Der Hall springt zwischen den Häuserwänden der Gasse hin und her. Minh dreht die Lautstärke voll auf ­ er kämpft gegen Mopedhupen, Kindergeschrei und die blecherne Frauenstimme des staatlichen Propagandaradios. Aus dem Lautsprecher oben am Strommast plärrt sie die neuesten Erfolge der Partei.

Langsam bewegt sich der Sänger vorwärts. Die Jungs tragen die Boxen, Minh singt, wechselt ohne Pause von einem Lied zum nächsten. In der Markthalle riecht es nach Blut, Fisch und lebendem Federvieh, Rauch steht in der Luft. Hung und Lien hüpfen mit ihren Hüten in der Hand von einer Holzbude zur nächsten. Sie finden es cool, Geld zu verdienen. Aber sie müssen ja auch nicht immer arbeiten, nur in den Schulferien dürfen sie mit in die Stadt.

"Für eine Pause in meiner Langeweile zahle ich gerne."

Die Frauen an den Ständen geben bereitwillig. Minh stimmt ein Liebeslied an. Er weiß genau, wann er seine Stimme fallen lassen muss, damit die Herzen der jungen Händlerinnen höher schlagen. "Die Musik bringt uns ein bisschen Abwechslung", freut sich eine Fleischverkäuferin. Zwölf Stunden am Tag sitzt sie eingeklemmt zwischen Hühnern und Schweinebäuchen. "Für eine Pause in meiner Langeweile zahle ich gerne."

Der tropische Regen klatscht auf die Straße. Die Passanten sind unter das nächste Vordach gesprungen. Dicht gedrängt stehen die Menschen, schauen, warten. Für Lam, den blinden Flötenspieler, ist das ein guter Zeitpunkt. Er schiebt seine große schwarze Sonnenbrille zurecht, drückt den grünen Ho-Chi-Minh-Hut tief ins Gesicht, tritt ins Freie und flötet. Der Regen verschluckt die Töne, doch das ist egal. Es gibt sowieso niemanden, der Lam für seine Musik bezahlt. Der Ton aus seiner Flöte ist viel zu piepsig und die Melodie eintönig. "Ich gebe ihm, weil er blind ist", sagt eine junge Mutter. Das Mädchen auf ihrem Arm streckt Lam seine winzige Hand mit einem Geldschein entgegen. "Einem Bettler, der gesund ist, würde ich nichts geben", sagt die Mutter. Aber einer wie Lam versucht ja zu arbeiten, dem gibt man eben, das hat mit Mitleid gar nichts zu tun. "Ich stelle mir vor, es trifft meinen Mann, mein Kind oder irgendwann meine Enkel oder Urenkel. Jeder kann in so eine Situation kommen. Wenn ich jetzt nicht gebe, dann hilft ihnen auch keiner. Es ist ja doch alles ein Kreislauf, es kommt alles zurück ­- zu dir oder zu deinen Nachkommen."

"Weiter, los, weiter!" Der Koch einer Steakbraterei scheucht Lam weg; er hat Angst, der Blinde könnte ihm die Kunden vergraulen. Doch einer der Gäste, Anfang vierzig, mit neuen Lederschuhen an den Füßen und einem kleinen Wohlstandsbauch über der Markenjeans, ruft Lam zurück und gibt 5000 Dong ­ ein großer Schein. "Ich habe mich gerade satt gegessen", sagt er, "und der Blinde hat vielleicht nicht einmal gefrühstückt." Hunger tut weh, das weiß er: "Es ist gar nicht lange her, da war mein Magen oft so leer, dass ich nicht schlafen konnte." Heute arbeitet er als Englischlehrer und verdient gut mit Privatunterricht bei den Reichen von Hanoi, bei denen, die am meisten vom Wirtschaftsboom profitieren, die große Autos fahren und teure Handys ans Ohr halten. "Ich habe jetzt was, da kann ich auch ein bisschen abgeben."

Der Stadtteil Phuc Tan liegt außerhalb der Deichmauer direkt am Roten Fluss. Es ist nicht viel mehr als eine angeschwemmte Sandbank mit Häusern. Wenn in der Regenzeit der Rote Fluss anschwillt, überfluten schlammige Wassermassen das Viertel. Nach Phuc Tan ziehen immer nur die, "die sich kein trockenes Haus leisten können", sagt man in Hanoi. Von jeher ist die Gegend verrufen.

In der Nachmittagshitze sind die Gassen ausgestorben. Sobald die Sonne sinkt, erwacht Phuc Tan. Überall in den Bäumen erstrahlen Glühbirnen, deren Kabel an den Leitungswirrwarr zwischen den Strommasten angeklemmt sind. Aus den Häusern schimmert das grünliche Licht von Neonlampen. Jedes Erdgeschoss und jeder Vorhof verwandelt sich in ein Restaurant oder eine Bierstube. Am Wegrand braten Frauen Schweinefleisch, rösten Seidenraupen, kochen Wasserspinat, Fisch, Krebse. Der süßliche Duft von gekochtem Reis steht zwischen den Häusern.

Dann strömen die Wanderarbeiter nach Phuc Tan. Der Stadtteil liegt günstig: Die Altstadt, das Geschäftszentrum und die besseren Wohnviertel von Hanoi sind direkt auf der anderen Seite der sechsspurigen Deichstraße. Die Großmärkte, auf denen die Händler ihre Waren kaufen, sind keine zehn Fußminuten entfernt. Und vor allem: Phuc Tan ist billig. 2000 Dong, umgerechnet 11 Cent, kostet ein Schlafplatz für eine Nacht.

Lam und sein Sohn schlafen mit acht Männern in einem Zimmer von 15 Quadratmetern. Auf dem Boden Matten aus Reisstroh, an der Decke eine Glühbirne, kein Fenster, die Wände sind feucht, der Putz schimmelt schwarz. Toilette und Waschbecken teilen sich die Männer mit der Familie des Hausbesitzers und den zehn Frauen aus dem Zimmer obendrüber.

Eine Kochstelle bietet dieses Gasthaus nicht. Lam isst außer Haus, wie fast alle Wanderarbeiter im Viertel, in einer Staubreisküche, wie die billigen Garküchen direkt an der Straße genannt werden. Männer, Frauen und Kinder sitzen an niedrigen Plastiktischen und aufgebockten Holzplatten. Sie reden laut, rufen durcheinander: "Hier noch ein Bier, einen Tee, schnell, ich hab Hunger, hallo, noch einen Teller Kürbisgemüse mit Knoblauch!"

An einem Tisch ganz hinten sitzt Thuy mit den anderen Plastikfrauen, ihr Rad steht im Eingang des Hauses gegenüber. Der blinde Lam kommt herein, bückt sich und tastet nach einem Stuhl, sein Sohn schiebt ihm einen blauen Plastikschemel hin. "Hallo! Hallo! Eine Schüssel Reis, bitte, Erdnüsse, gebratenes Gemüse und klare Brühe!" Jeden Abend bestellt Lam dasselbe, mittags kauft er meist Nudeln mit Tofu und Krabbenpaste, morgens gibt es nur eine Hand voll Klebreis mit grünen Bohnen. Abgekochtes Wasser bekommt er im Gästehaus umsonst.

In einem guten Monat schickt Lam rund 200000 Dong, etwa 11 Euro

"Mehr als 10000 Dong kann ich pro Tag nicht für Essen ausgeben", erklärt Lam den kargen Speiseplan. "Sonst bleibt ja nichts mehr für meine Frau im Dorf übrig." In einem guten Monat schickt Lam rund 200000 Dong, etwa 11 Euro, nach Hause. Thuy verdient besser. Sie spart bis zu 300000 Dong im Monat. Minh, der Gitarrist, kommt meist sogar auf 500000 Dong. Auf dem Dorf ist das extrem viel Geld. Mit dem Wenigen, was er hat, kann Minh die Medizin für seine herzkranke Mutter bezahlen und die Schulbücher seiner drei Kinder. Und er spart für seinen Traum: Die älteste Tochter, die gerade Abitur macht, soll auf die Uni gehen. Unterkunft, Essen und Studiengebühren werden ihn im Monat rund 400000 Dong kosten. Es könnte klappen.

Thuy und Minh überbringen ihren Familien das Ersparte persönlich. Alle paar Wochen zwängen sie sich in einen klapprigen Überlandbus. Zu Hause setzt Thuy dann gleich noch die jungen Reispflanzen, schneidet den Reis, drischt. Minh pflügt das Feld, stopft die Löcher im Dach, mauert die bröckelnde Hofmauer neu.

Sogar Lam sagt, dass sein Lebensmittelpunkt im Dorf liegt ­ auch wenn er nur selten hinfährt. Ein Blinder kann dort nicht viel tun. Und rumsitzen, sich von seiner Familie durchfüttern lassen, das will er auf keinen Fall.

Ein neuer Tag, die drei Wanderarbeiter sind wieder früh auf den Beinen. Beim Frühstück sind viele Hanoier offen für Musik und Krimskrams. Doch plötzlich wird es unruhig. Ein glänzend weißer Pickup rollt durch die Altstadt von Hanoi. Auf einem Klappstuhl auf der Ladefläche sitzt ein Polizist, die Arme über der pfirsichfarbenen Uniform verschränkt. Er späht in die Durchgänge zwischen den Häusern, dann wieder schweift sein Blick über die Straße. "Aufräumen, den Bürgersteig frei machen", tönt es aus dem Lautsprecher auf dem Fahrerhaus. Unruhe zieht auf. Mopeds verschwinden hinter Haustüren, Tische werden hektisch weggeräumt.

"50 000 Dong!", befiehlt der Polizist kalt

Thuy braucht zu lange, um sich davonzumachen. "Hey, du", faucht der Polizist, springt von der Ladefläche und baut sich vor ihr auf. Seine Nähe lässt kaum Luft zum Atmen. "Du störst den Verkehr." Thuy umklammert den Sattel ihres Rades. Der Polizist starrt sie an, ohne die kleinste Regung. "Bitte nicht wegnehmen, bitte nicht wegnehmen", fleht Thuy. "50 000 Dong!", befiehlt der Polizist kalt, zieht seinen rechten Mundwinkel mit einer Mischung aus Grinsen und Häme nach oben. Thuy senkt den Kopf, damit er die Verachtung in ihrem Blick und die Tränen in ihren Augen nicht sieht. Sie zahlt. Für diese drei Euro hat sie drei Tage gearbeitet.

Eine Begründung haben die Polizisten immer parat: Bürgersteige müssen frei bleiben, umherstreifende Personen dürfen die öffentliche Ordnung nicht stören, Lärmbelästigung ist verboten. Die Bußgelder nennen die Vietnamesen "das Gehalt der Polizei". Jeder Geschäftsbesitzer, jede Marktfrau zahlt monatlich in die Hände der Gesetzeshüter. Die Wanderarbeiter trifft es allerdings am härtesten. Wenn sie zahlen, fehlt ihnen abends oft das Geld für eine Suppe. "Aber was willst du machen? Zahlst du nicht sofort, schmeißen sie das Rad auf die Ladefläche und du musst es dann für noch mehr Geld bei der Polizeistation auslösen", erklärt Thuy. "Und mit ganz viel Pech nehmen sie dich mit." Am Ende landet man gar in einem so genannten "Arbeitserziehungszentrum der Gesellschaft". Mit dem Wirtschaftswachstum wird der Ehrgeiz der Kommunistischen Partei immer größer, Besuchern eine nach ihrem Verständnis zivilisierte, ordentliche Hauptstadt vorzuführen.

Er ist in der Stadt doch nur das unterste Ende der Gesellschaft

Minh sitzt auf einem blauen Plastikschemel und zieht an einer Zigarette. Vor ihm steht ein Glas Schnaps. Er prostet dem gut gekleideten Mann am Nebentisch zu, lädt ihn auf einen Schnaps ein. "Ohne ab und an ein Glas mit jemandem zu teilen, würde ich es in der Stadt überhaupt nicht aushalten", sagt Minh. Er liebt Hanoi nicht. Zu dreckig, zu laut, zu unfreundlich, zu hektisch. Außerdem fühlt Minh oft schmerzlich, dass er in der Stadt doch nur das unterste Ende der Gesellschaft ist.

"Manche Leute reden hinter dir und neben dir, sagen, der ist doch nur ein Bettler; der ist zu faul, sich einen Job zu suchen", sagt Minh. "Aber das stimmt nicht. Ich arbeite als Musiker doch auch. Wer meine Musik mag, gibt etwas. Und wer sie nicht gut findet oder gerade selber nicht genug Geld hat, der gibt eben nichts." Trotz dieser Überzeugung leidet Minh. "Ich ertrage es hier nur, weil ich weiß, dass ich es für meine Familie tue."

Minh lädt seinen Nachbarn auf eine Zigarette ein und auf noch einen Schnaps, denn wer nicht gibt, der ist wirklich arm. "Ich habe nicht viel, aber ich bin trotzdem nicht geizig", sagt Minh. Die Armut dürfe den Charakter nicht kaputtmachen. Sie dürfe sich nicht zeigen. Die Kleidung muss immer frisch gewaschen sein und die Haare korrekt gekämmt. "Und vor allem darf die Armut deine Herzlichkeit und deinen Stolz nicht zerstören!"

 

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