Die Theologin Susanne Breit-Keßler
Wie soll man reagieren auf Bosheit im Netz? Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
Monika Höfler
Freundlich bleiben. Wenn es geht
Kommentare im Internet sind manchmal widerlich. Aber es hilft nicht, sich mit Rabauken auf eine Stufe zu stellen
16.09.2016

„Ich mach die einfach weg“, sagt ein Bekannter von mir, wenn ihm mal wieder sogenannte Freunde auf Facebook unliebsame Kommentare posten. Er ist erst seit ein paar Jahren Mitglied der Kirche und ärgert sich richtig, dass ihm alte Vorurteile stets aufs Neue begegnen: Die Kirche handele zu sehr oder zu wenig politisch, sei nur was für alte Leute, kümmere sich nicht um die Armen... Und alles in einem üblen Ton, der Form und Anstand vermissen lässt. Also entscheidet er sich für „Weg damit“. Keine Lust, sich mit solchen giftigen Attacken auseinanderzusetzen.

Die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler erklärt, warum der Ton online in den vergangenen Jahren rauer geworden ist. Außerdem erklärt sie, wie es gelingt, sich nicht auf das Niveau der Provokateure herunterziehen zu lassen.

Die Versuchung, auf „Löschen“ zu drücken, kenne ich. Aber es gibt eine, die noch größer ist: den Stinkstiefeln im Netz mit Argumenten zu kommen. „Flüchtlinge sind Parasiten“? „Der deutsche Staat lässt griechische Kinder verhungern“? Ich antworte mit Tatsachen, ohne Probleme zu verschweigen. Und ich bemühe mich, höflich zu bleiben. Denn so zurückzuschlagen, wie jemand anderes draufgehauen hat, ist stillos – und bringt nichts, weil dann nur neu zum Angriff geblasen wird.

Allerdings gebe ich zu, dass meine Lust am Diskurs nicht wirklich viel verändert. Insgesamt ist der Ton im Netz rauer geworden. In Windeseile wird kommentiert und vor allem drein­gehauen, dass es nur so funkt. Meist ohne wirkliche Sachkenntnis und vor allem ohne jeden Respekt vor dem Gegenüber, einfach aus dem Bauch heraus. Immer wieder wird deshalb Netiquette oder Chatiquette angemahnt – ein Verhalten, das darauf achtet, dass man es im Netz und in Chatrooms auch mit Menschen zu tun hat.

Gelassenheit zeigt eigene Stärke

Was kann man tun, um sich selber nicht denen auszu­setzen, die Achtung für überflüssig halten? Es ist sinnvoll, sich zu ­überlegen, wo man im Internet überhaupt mitmischen möchte. Manche Seiten kann man beruflich gut gebrauchen, andere dienen vielleicht wirklich der Pflege von angenehmen privaten Kontakten. Verlassen würde ich alle virtuellen Begegnungs­stätten wie Blogs, Spielegruppen, Zeitungsseiten, Chatrooms, in denen die Teilnehmer nicht ehrlich, nicht authentisch sind und plump einen auf Kumpel machen. Oder einen zu Hetzkampagnen gegen andere motivieren wollen.

Ist jemand unhöflich, kann man zunächst sachlich oder ­geistreich-humorvoll reagieren: „Wahrscheinlich hatten Sie noch keine Zeit, den Text genauer zu lesen...“ Oder: „Echt schade, dass Sie sich nicht mitfreuen können über...“ Eine gelassene Reaktion zeigt die eigene Stärke und die Schwäche von pampigen Stellungnahmen. Man sollte sich davor hüten, selbst ­widerlich zu werden. Es kann ja nicht sein, dass man sich mit Rabauken auf eine niveaulose Stufe stellt. Und das Netz vergisst nichts. Jahre später kann man noch nachlesen, wer sich zu ­welchen Entgleisungen hat hinreißen lassen.

Übrigens sind einige Leute durchaus zu überzeugen, wenn  man unbeirrt freundlich bleibt und um sie wirbt. Manchmal aber bekommt man das Gefühl, dass alle Freundlichkeit nichts nützt. Dann gibt es am Ende  wirklich nur eins – blockieren. Es gibt Zeitgenossen, die haben sich zum Lebensziel erkoren, andere Menschen zu desavouieren, sie verächtlich zu machen oder Diskussionen zu unterlaufen. Soviel Lust ich habe, mich auszutauschen, meine eigene Position zu überprüfen und andere Menschen dafür zu gewinnen, neu nachzudenken: Es gibt ein Ende der Debatte. Hasspredigern sollte man keinen Raum lassen. Dafür ist das eigene Leben und das anderer zu kostbar.

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