Die Suche nach Göttern und Lokalredaktionen
Auf Deutschlandreisen findet man vieles, haben wir beim Lesen festgestellt. Auch Götter und Journalisten
29.05.2016

Wächst die soziale Kluft in Deutschland, werden die Reichen reicher, die Armen ärmer? Wie viele Männer schlagen ihre Frauen? Und lachen Kinder tatsächlich häufiger als Erwachsene? Alles sehr schwer zu sagen, noch schwerer zu belegen! In ihrem Buch "Statistik und Intuition" lehrt uns Katharina Schüller Vorsicht im Umgang mit Zahlen und Mustern – und Respekt vor der Tatsache, dass wir vieles einfach nicht wissen können.

Katharina Schüller: Statistik und Intuition. Springer Spektrum, 14,99 Euro.

Gideon Böss glaubt an keinen Gott, würde ihn aber trotzdem gern mal kennenlernen. Er mutet sich einiges zu, ihn zu finden. In „Deutschland, deine Götter“ nimmt der Kolumnist seine Leser mit auf eine kuriose, nie langweilige Reise. 26 Stationen steuert er an: Hexer und charismatische Christen, Osho-Freunde und Piusbrüder, Katholiken und Juden. Die Protestanten kommen bei ihm gleich im 2. Kapitel nach den Hexen – das muss ein Zufall sein. Böss stellt simple Fragen und bekommt, manchmal, simple Antworten.

Gideon Böss: Deutschland, deine Götter. Cotta, 19,95 Euro.

In seinen letzten Lebensjahren rief Martin Luther in Schmähschriften zu Pogromen gegen Juden auf. Lasen die Protes­tanten seine Pamphlete überhaupt – oder haben erst Nazipropagandisten sie wieder ausgegraben? Ein Sammelband mit Aufsätzen über Martin Luthers „Judenschriften“ ‒ Die Rezeption im 19. und 20. Jahrhundert zeigt: Luthers Hass entfaltete früh seine unsägliche Wirkung. Nicht mal Kritiker der National­sozialisten hinterfragten die unchristlichen Hassausbrüche.

Harry Oelke, Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Anselm Schubert, Axel Töllner (Hg.): Martin Luthers „Judenschriften“ ‒ Die Rezeption im 19. und 20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, 80 Euro.

Englebert Munyambonwa, 66, erlebte Grausames während des Genozids in Ruanda. Heute ist er: Witzeerzähler, Melancholiker, Lebenskünstler. Jean Hatzfeld, preisgekrönter Pariser Reporter, hat sein Schicksal furios aufgeschrieben: Plötzlich umgab uns Stille. Das Leben des Englebert Muny­ambonwa. Wer schwache Nerven hat, muss einige Seiten mit allzu blutigen Details überblättern – aber es lohnt sich. Ein Kerl mit großer Tragik und sehr großem Herzen.

Jean Hatzfeld: Plötzlich umgab uns Stille. Das Leben des Englebert Muny­ambonwa. Wagenbach, 9,90 Euro.

Sie hat alles, wovon junge Journalisten heute träumen: eine tolle Ausbildung, eine Festanstellung, Erfolg als Autorin. Doch Jessica Schober wirft hin und geht auf Wortwalz: Schreiben gegen Kost und Logis. Als „Gesellin“ tippelt sie durch deutsche Lokal­redaktionen. Lügenpresse? Journalismus ohne Zukunft? Blödsinn, zeigt diese junge Frau, die so fröhlich schreibt und daherkommt, dass sich ihr alle Herzen öffnen. Die 256 Seiten lesen sich wie im Flug: auf die Wortwalz, fertig, los.

Jessica Schober: Wortwalz. Edel Verlag, 14,95 Euro.

Bernadette Conrad lebt mit ihrer 14-jährigen Tochter in Berlin, sie ist Literatur- und Reisejournalistin – und alleinerziehende Mutter. In "Die kleinste Familie der Welt" erzählt sie „vom spannenden Leben allein mit einem Kind“, ihrem eigenen und dem anderer Alleinerziehender. Es ist schwierig, dieses Leben, es ist „toll“, findet die Autorin, auf jeden Fall bewegt.

Bernadette Conrad: Die kleinste Familie der Welt. btb, 16,99 Euro.

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