Eine vernichtende Kritik des Kapitalismus: Ilija Trojanow mit seiner neuen Streitschrift
13.08.2013

Der Schriftsteller Ilija Trojanow malt ein düsteres Weltbild: Wer heute nicht als profitabel genutzt werden kann, gilt als überflüssig. Arbeitnehmer in Industrieländern müssen sich vor dem technischen Fortschritt fürchten, der sie jederzeit verdrängen könnte – Schwäche ist nicht erlaubt.

"Der überflüssige Mensch" ist kein sachlich geschriebenes politisches Essay. Trojanow zeigt sich zornig über die wirtschaftlichen und politischen Lenker dieser Welt. Dabei beklagt er auch das Elend der Menschen in Ländern der Dritten Welt. Ohne Zugriff auf Ressourcen haben diese keinen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Der Kapitalismus produziere für wenige Menschen Wohlstand im Überfluss, mache aber viele überflüssig.

"Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren; jedes Jahr bringen unzählige unterernährte Mütter unterernährte Kinder zur Welt. Etwa eine Milliarde Menschen leiden an Hunger. [...] Weder Hunger noch Verelendung müssten sein. Es handelt sich nicht um ein Naturgesetz, sondern um Massenmord durch Unterlassung."

Ilija Trojanow wirft wichtige, schmerzhafte Fragen auf, denen sich auch der einfache Bürger stellen muss. So werde unser Planet nicht von Überbevölkerung in den ärmeren Ländern bedroht, sondern von unserem verschwenderischen westlichen Lebensstil in Europa und Nordamerika. "Sollte also eine Dezimierung unabwendbar sein, wäre es nach dem Gesetz des kleineren Übels eher angebracht, einige Vermögende zu opfern als Millionen von Armen", argumentiert er - und nimmt bewusst in Kauf, zynisch zu sein. Leider kommt der Autor am Ende nicht über die eindimensionale Sichtweise der altbekannten Kapitalismuskritik hinaus, die hauptsächlich das "System" als Ursache für Ungerechtigkeit, Hungersnöte, Epidemien und Armut in der Welt sieht. Zu kurz wird dabei diskutiert, warum sich jeder Einzelne verantwortlich fühlen muss.

"Der überflüssige Mensch" soll wachrütteln und zugleich Mut machen, dass noch nicht alles verloren ist. Letzteres möchte man nach der Lektüre des Buches kaum glauben.


Residenz Verlag, St. Pölten 2013, 96 Seiten, 16,90 Euro

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