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Irlands Südosten, Ende der sechziger Jahre: Nora Webster, Mitte vierzig, hat ihren Mann verloren und versucht, ihre drei Kinder durchzubekommen. Ihr Ferienhäuschen muss sie verkaufen, wieder Arbeit suchen – immer in der Angst, ihrer Mutterrolle nicht gerecht zu werden. In großartiger Ruhe zeichnet Colm Tóibín das facettenreiche Porträt einer Frau, die sich vom Kleinstadtleben nicht vereinnahmen lässt, sich für Musik zu interessieren beginnt und zu den einsetzenden Unruhen in Nordirland eine eigene Meinung hat. Ein Roman, der zeigt, was Literatur, die Menschen ernst nimmt, leisten kann. Und wie sich das Politische im Privaten einnistet.
Colm Tóibín: Nora Webster. Übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini. Hanser. 384 Seiten, 26 Euro.
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Von ganz anderem Temperament ist der Schotte John Burnside, der sich nach dem Band „Lügen über meinen Vater“ erneut seines eigenen Lebens annimmt. Schonungslos mit sich selbst und mit seiner Umwelt schildert er seine Anstrengungen, nicht wie sein Vater zu enden, sich nicht den Drogen und dem Alkohol auszuliefern. „Wie alle anderen“, so nimmt er sich wild entschlossen vor, will er werden, ein ganz normaler Steuerzahler im biederen Vorstadthäuschen. Ein schöner Traum vom Schutz bürgerlicher Fassaden, eine Illusion, denn so leicht lassen sich die Abgründe der Psyche nicht überwinden. Burnsides autobiografisches Ich muss den Kampf mit sich selbst aufnehmen, ein weiteres Mal.
John Burnside: Wie alle anderen. Übersetzt von Bernhard Robben. Knaus. 317 Seiten, 19,99 Euro.
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