Der Roboter und die Scouts
Das Reformationsjubiläum hat die Kirche bereits verändert – und wird es weiter tun. An Ideen herrscht kein Mangel
Irmgard SchwaetzerJulia Baumgart
26.06.2017

Der Roboter hat einen weißen Plastikkopf mit zwei großen Augen und einem breiten rechteckigen Mund. Er kann seine Arme bewegen und zeigt auf der Brust ein Computerdisplay. Der Körper sieht ansonsten eher aus wie ein Schrank. Gegenwärtig verteilt er Segen an die Besucher der „Weltausstellung Reformation“ in Wittenberg. „BlessU-2“ ist eine Kunstinstallation und gehört zum „Segensparcours“ der Landeskirche von Hessen und Nassau. Vielleicht ist es der umstrittenste Höhe­punkt der Ausstellung, die ja gezielt den Blick lenkt auf das, was wird und was zu tun ist. Natürlich gibt es dort auch echte Gesprächspartner und wirkliche Gottesdienste. Und Diskussionen darüber, ob Roboter segnen dürfen.

Waren Sie dieses Jahr schon in Wittenberg? Wenn nicht, sollten Sie eine Reise dorthin planen. Sie begegnen dort auf Schritt und Tritt der Geschichte der Reformation, aber vor allem engagierten Menschen, die Ideen für die Zukunft der Kirche entwickeln und umsetzen.

„Gott: neu“ ist eines der Leitmotive für das Fest zum 500-jährigen Reformationsjubiläum in diesem Jahr. Wir erleben: „Gott neu feiern“ funktioniert. Viel mehr Menschen kommen zu den Veranstaltungen als erwartet: zu vielen Ausstellungen, nicht nur in Berlin und auf der Wartburg, auch in Torgau, Wittenberg und an vielen anderen Orten. Zu den Versöhnungsgottesdiensten, die zuerst in Hildesheim, dann in allen Landeskirchen und vielen Regionen mit Repräsentanten der katholischen Kirche gefeiert wurden. Zu attraktiven Großveranstaltungen wie dem Pop-Oratorium „Luther“. Und zu der Fülle von weiteren ­Veranstaltungen mit neuen Ideen in den Gemeinden.

30 Trendscouts sind für die Kirche unterwegs und sammeln Ideen ein

Aber das Jubiläumsjahr soll mehr. Es soll dazu bei­tragen, dass die Menschen Gott neu entdecken. Ob das gelingt? Dass Menschen Gott neu entdecken, ist am Ende seine, also Gottes Sache, sagen viele. Stimmt. Aber dass so mancher über Gott neu nachzudenken beginnt – das merkt man in den Gesprächen bei den Veranstaltungen. Vor allem die Folge, die sich aus Luthers persönlicher ­Entdeckung für uns alle ergibt: Gott gibt jedem immer wieder die Chance, neu anzufangen. Das empfinden viele als wichtig für ihr Leben.  

Dass die Menschen bei den Veranstaltungen des ­Jahres 2017 Gott neu entdecken, das lässt sich nicht steuern. Aber dass dieses Jahr dazu beiträgt, dass unsere Kirche sich erneuert: diese Chance wollen wir uns nicht ent­gehen lassen. Die Synode, das Kirchenparlament der EKD, hat darum dreißig Scouts losgeschickt. Künstler, Journalisten, Poli­tiker, evangelische, katholische, Kirchliche und Kirchenferne, Junge und Alte, Frauen, Männer. Als Kundschafter für Neues, als Pfadfinder für Veränderungspotenzial.

Sie sollen in Veranstaltungen ihrer Wahl Ideen für die Zukunft der Kirche sammeln. Aus ihren Beobachtungen werden wir für die Synodentagung im Herbst Thesen formulieren. Und die Synode macht daraus möglichst konkrete Vorschläge für die zukünftige Arbeit in der Kirche.

Erste Hinweise haben wir schon bekommen: Die Kirche, die zu den Menschen geht, kommt mit ihnen ins Gespräch. Jugendliche lassen sich begeistern. Gut inszenierte Projekte ziehen die Menschen an und bewegen sie zum Mitmachen. Glaubensinhalte lassen sich vermitteln, wenn die Darstellung stimmt. Aus sozialwissenschaftlichen Untersuchungen ist uns das im Grunde schon bekannt. Aber es ist Zeit, neue Konsequenzen daraus zu ziehen. Dazu gehört der Wille zu Veränderungen. Ich bin mir sicher: Das Reformationsjubiläum wird unsere Kirche verändern. Wir müssen die positive Energie, die wir aus den Begegnungen dieses Jahres gewinnen, einfach nutzen. Damit wir sagen können: Wir haben Zukunft auf gutem Grund.

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