Erfolgreiches Sponsoring
Tim Wegner
20.06.2017

Es ist wohl eine Werber-Binsenweisheit, dass die Zielgruppe für erfolgreiches Marketing kaum jung genug sein kann. Wenn Babys selbst entscheiden könnten, würden sie bestimmt nicht die Bio-Vollwert-Gläschen kaufen. Oder? Fest steht aber, dass Kinder spätestens ab Milchschnitten-Alter einen erheblichen Einfluss auf das Konsumverhalten der Familie haben. Wer einmal erlebt hat, was das Wort "Quengelware" bedeutet – ich meine: mit allen Sinnen erfahren hat –, der weiß, wovon ich schreibe. Und man erlebt das ja nicht nur einmal, sondern bei fast jedem Einkauf, zu dem man die Kinder mitnimmt. Außer man trifft entsprechende Absprachen. Aber dazu ein andermal mehr.

Worauf ich eigentlich hinauswill: Die Privatempirie belegt, dass es sich offenkundig lohnt, bereits bei ganz jungen Zielgruppen größte Marketinganstrengungen zu unternehmen. Ein konkretes Beispiel aus unserer jüngsten Familienvergangenheit kann das belegen:

Unser Sohn nimmt im Kindergarten an einem schönen Projekt teil. Das pädagogische Ziel: die Herkunft unserer Lebensmittel, ihren Wert – und vor allem auch die Arbeit, die in ihnen steckt –, kennen- und schätzen zu lernen. Wie man das macht? Mit einem kleinen Gemüsegarten. Die Kinder säen beziehungsweise setzen im Frühjahr verschiedene essbare Pflänzchen, von Radieschen und Tomaten bis hin zu Gurken und Kopfsalat, und pflegen und hegen das essbare Gut bis zur Ernte.

Angeboten hat das Projekt allerdings nicht die kommunale Kinderbetreuungseinrichtung, sondern ein großer Supermarktkonzern. Der kommt in die Kitas und Kindergärten, hat das notwendige Saatgut, die Gerätschaften und das Know-how praktischerweise schon dabei und führt die Aktion mit den Kindern und Erzieher*innen durch.

Wie ich das rausgefunden habe? Ich wollte von meinem Sohn wissen, wer vom Betreuungspersonal eigentlich mit ihnen das Gemüsebeet gepflanzt habe. Darauf er: "Die E-Decker." Darauf ich: "Die was?" Er wieder: "Die E-Decker." Okay, Strategiewechsel nötig. Also ich: "Wer sind denn die E-Decker?" Er: "Na die, die Sachen pflanzen." Ich, zunehmend erstaunt: "Woher weißt du denn, dass die so heißen? Sind das nicht vielleicht Gärtner?" Er, leicht genervt, erläutert: "Nee, E-Decker. Wir mussten nämlich voll lange warten, bis wir anfangen konnten. Weil die von E-Decker sich verspäten, hat die Erzieherin gesagt. Echt doof!" Und dann war auch bei mir der Groschen gefallen.

Mein Sohn weiß nun also ein für alle Mal, dass ein sogenannter "E-Decker", vulgo "Edeka", für frisches Gemüse zuständig ist, noch bevor er das Wort "Landwirt" gelernt hat oder den Begriff "Gartenbau" je gehört hat. Erfolgreiches Markensponsoring! Und ich bin gespannt, ob das nächste Projekt ihn lehren wird, dass die, die das Essen zubereiten, die "Rewer" sind, oder die "Tengelmänner" – noch bevor er jemals einem Koch oder Caterer bei der Arbeit über die Schulter geschaut hat.

Essen tut er das Zeug übrigens nicht, das sie angepflanzt haben. Schmeckt ihm nicht. Lieber Würstchen.

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