Kundgebung gegen Paragraf 219a in Berlin
epd-bild/Christian Ditsch
Von Streichen bis Beibehalten reichen die Meinungen in der Ärzteschaft zum Werbeverbot für Abtreibungen. Seit dem Gießener Urteil haben sich viele Landesärztekammern mit dem Konflikt befasst. Informationen müssen straffrei sein, sagen die meisten.
20.04.2018

Die Ärzteschaft ist über eine Reform des Werbeverbots für Abtreibungen genauso uneinig wie die Politik. Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei den Landesärztekammern ergab, dass die meisten Ärztevertretungen die Straffreiheit sachlicher Informationen sichergestellt wissen wollen. Was sie darunter verstehen, ist aber unterschiedlich.

Montgomery verlangt Rechtssicherheit für Ärzte

Die Hamburger Ärztekammer war kürzlich vorgeprescht mit der Forderung nach einer Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a. So weit gehen die Ärztevertretungen in den anderen Bundesländern nicht, etliche fordern aber eine Reform des Paragrafen. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat bisher keine gesetzlichen Änderungen verlangt. Das Werbeverbot für Abtreibungen könnte aber ein Thema auf dem nächsten Deutschen Ärztetag im Mai in Erfurt werden. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery verlangt "Rechtssicherheit für Ärzte", die über Abtreibungen informieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Ärztekammerpräsident Nordrhein, Rudolf Henke, sieht hingegen keine Notwendigkeit für eine Reform des § 219a.

Anlass für die neuerliche Debatte um die Informationsrechte von Frauen und die Aufgaben der Ärzte ist das Urteil gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel vom November 2017. Sie soll eine Geldstrafe zahlen, weil sie auf der Webseite ihrer Praxis über die Durchführung von Abtreibungen informiert hatte. Dem Bundestag liegen Anträge zur Streichung oder Überarbeitung des § 219a vor, der Werbung für Abtreibungen in grob anstößiger Weise oder des Vermögensvorteils wegen unter Strafe stellt. Die Union will den Paragrafen beibehalten.

Als eine der ersten hatte die hessische Ärztekammer nach dem Gießener Urteil eine Änderung des § 219a verlangt, so "dass eine sachgerechte Information nicht mehr unter Strafe gestellt wird". Das fordern auch die Berliner und die Brandenburger Ärztekammer sowie der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Gerald Quitterer. Patienten und Patientinnen müssten Zugang zu allen für sie relevanten Informationen haben, sagte er dem epd. Dieses Recht schließe ein, "sachliche Informationen über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die medizinischen Belange eines Schwangerschaftsabbruchs ohne Einschränkungen zu erlangen."

Werbung in der Medizin

Aus Sicht des saarländischen Ärztekammerpräsidenten Josef Mischo gibt es keine Bedenken gegen sachliche Informationen und die Veröffentlichung der Adressen von Ärzten, die Abtreibungen durchführen. Die Kammer könnte solche Listen auch selbst zusammenstellen, erklärte Mischo im Saarländischen Rundfunk.

Anders der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, der für die CDU im Bundestag sitzt. Henke sagte dem epd, Ärzte die Schwangerschaftsabbrüche ausführen, könnten darüber die Beratungsstellen informieren, die Frauen aufsuchen müssen, bevor sie sich für eine Abtreibung entscheiden können. Die Beratungsstellen könnten die Informationen dann weiterreichen. Das geltende Abtreibungsrecht sehe eine regulierte Beratung vor, an der vorbei sich Ärzte nicht an die Öffentlichkeit wenden sollten, sagte Henke. Auch Niedersachsens Ärztekammerpräsidentin und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Martina Wenker, hält die geltende Regelung für ausgewogen.

Die Landesärztekammern in Bremen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und in Westfalen-Lippe haben sich bisher noch nicht mit einer eigenen Position zu Wort gemeldet. Der Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Crusius, warnte, wenn man Werbung in der Medizin freigebe, "dann wird Gesundheit zur Ware". Crusius, der auch dem BÄK-Vorstand angehört, sagte, der Bundestag müsse entscheiden, wie die Information der Frauen gesichert werden könne.

Informationen auf der Internetseite

Die Bundesärztekammer hatte auf das Gießener Urteil mit einem Verweis auf die ärztliche Berufsordnung reagiert: "Eine sachliche individuelle Information ist keine Werbung." Damit umging sie allerdings den aktuellen Konflikt, in dem es nicht um die ärztliche Aufklärung der einzelnen Patientin geht, sondern um Informationen auf der Internetseite einer Arztpraxis.

Präsident Montgomery sagte dazu in dieser Woche, es sei nicht Aufgabe der Bundesärztekammer, gesetzliche Reformen anzustoßen. "Was wir wollen, ist Rechtssicherheit für Ärzte." Er schlug vor, Informationen über Abtreibungen und entsprechende Ärztelisten durch neutrale Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, etwa auf dem Portal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Montgomery selbst hält das Werbeverbot in der Fassung des § 219a für überholt. In seiner zweiten Funktion als Präsident der Hamburger Ärztekammer hat er für eine Streichung gestimmt.

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