Türkische und deutsche Nationalflagge an einer Moschee in Murrhardt in Baden-Württemberg.
epd-bild/Volker Hoschek
Gehört der Islam zu Deutschland? Über die Antwort wird seit Jahren gestritten. Nun befeuert der neue Bundesinnenminister Seehofer die Debatte wieder. Er sagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Der CSU-Politiker will aber den Dialog mit Muslimen.
16.03.2018

Es ist zum Ritual geworden, dass ein Bundesinnenminister die Gretchenfrage der 2000er-Jahre beantworten muss: Gehört der Islam zu Deutschland? Der neue Ressortchef Horst Seehofer (CSU) hat nun Stellung bezogen und sagt: Nein. Kurz nach Amtsantritt entfacht er damit eine alte Debatte um die Integration der Muslime. Der neue Innenminister - auch verantwortlich für den Dialog zwischen Staat und Religionsgemeinschaften - will aber auch die Deutsche Islamkonferenz als Gesprächsforum weiter nutzen.

2006 wurde die Islamkonferenz vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufen. Er sagte damals, der Islam sei Teil Deutschlands und Europas. Bereits diese Aussage blieb nicht unwidersprochen, umstritten ist aber vor allem der Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff aus dem Jahr 2010: "Der Islam gehört zu Deutschland." Noch kein verantwortlicher CSU-Innenpolitiker konnte sich dahinter versammeln.

Slogan aus dem AfD-Wahlkampf

Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lehnte ihn ab. Auch Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) tat sich zumindest schwer damit, unterstrich aber, die Muslime gehörten zu Deutschland. Das pointierte "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" war zuletzt aber nur im Wahlkampf von AfD-Vertretern zu hören.

Dass "selbstverständlich" die Muslime zu Deutschland gehörten, sagt auch Horst Seehofer. Der vorangestellte Satz "Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland" in seinem Interview mit der "Bild"-Zeitung (Freitag) setzt aber dennoch einen anderen Ton, vermuten zumindest die Grünen. "Eine Gesellschaft, die von oben in Gruppen unterteilt wird, schafft Desintegration", sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt.

SPD geht auf Distanz

Widerspruch kommt auch aus der SPD. Viele Muslime hätten in Deutschland eine Heimat gefunden "und mit ihnen gehört ihr Glaube, der Islam, auch zu Deutschland", erklärte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) bei Twitter. Der religionspolitische Sprecher der FDP, Stefan Ruppert, beklagte eine "Pseudodebatte, die einzig darauf abzielt, zu spalten".

Unterstützung bekam Seehofer aus den Unionsparteien. Neben Friedrich stimmte der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg in der "Bild" Seehofer zu. Der Islam habe keine Wurzeln in Deutschland. CDU-Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt indes bei ihrer Unterstützung des Satzes "Der Islam gehört zu Deutschland", wie ihr Sprecher Steffen Seibert am Freitag deutlich machte. Das Land sei historisch christlich und jüdisch geprägt, inzwischen lebten aber auch Millionen Muslime in Deutschland, erklärte er: "Auf der Basis unserer Werte- und Rechtsordnung gehört auch deren Religion, gehört auch der Islam inzwischen zu Deutschland", sagte Seibert.

Innenministeriumssprecher Johannes Dimroth betonte am Freitag in Berlin, Seehofer sei der Dialog mit den Muslimen wichtig. Im "Bild"-Interview kündigte der Minister an, erneut die Islamkonferenz einzuberufen: "Wir müssen uns mit den muslimischen Verbänden an einen Tisch setzen und den Dialog suchen und da wo nötig noch ausbauen." Zugleich betonte er: "Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns." Was er konkret für die Islamkonferenz plant, ließ er aber offen.

Experten halten Unterscheidung für wenig sinnvoll

Die politische Unterscheidung, ob der Islam oder die Muslime zu Deutschland gehören, erscheint Experten indes als wenig sinnvoll. Aus rechtlicher Sicht könne man das nicht unterscheiden, sagte der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig dem epd. "Es gibt aus Sicht des Grundgesetzes keine Religion ohne das Individuum. Man kann nicht sagen, die Muslime gehören zu Deutschland, der Islam aber nicht", sagte er.

Evangelische und katholische Kirche wollten die von Seehofer neu angestoßene Debatte nicht kommentieren. An einer Neuauflage der Debatte, die sich "als nicht zielführend" erwiesen habe, wolle man sich nicht beteiligen, sagte ein Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.